ZDF-Reihe „Der junge Inspektor Morse“: Raue Kerle, außer einem
In der ZDF-Krimireihe „Der junge Inspektor Morse“ ermittelt dieser mit Old-School-Cops. Eine kluge Alternative zum „Tatort“.
E s liegt daran, dass ich früher an einem starren Ritual festgehalten und sonntagabends die „Lindenstraße“ geschaut habe. Irgendwie ist es mir bisher nicht gelungen, diese Leerstelle zu füllen. Und so fröne ich Sonntag für Sonntag gegen viertel vor sieben leicht melancholisch der Tradition des Zappens durchs lineare TV-Programm. So bin ich bei ihm hängen geblieben. Wahrscheinlich, weil „Der junge Inspektor Morse“ auf ZDFneo immer so hübsch melancholisch guckt. Und weil das Ganze wie aus der Zeit gefallen wirkt, so schön retro, aber ziemlich genial inszeniert ist, um Längen besser als britische Krimi-Dutzendware à la „Inspector Barnaby“ oder „Agatha Raisin“.
Der junge Inspektor Morse trägt den schönen Vornamen Endeavour – so heißt die Reihe im Original –, das ist originell, weil dem jungen Mann sein Vorname peinlich ist. Endeavour lässt sich mit „Bemühung/Anstrengung/Bestrebung“ übersetzen. Das passt. Denn Morse tut genau das: Er denkt ziemlich viel nach, ist intelligent (okay, im Zwischenmenschlichen oft umständlich), gibt sich stets Mühe und weiß, dass in der Kriminalistik eben nicht das Nächstliegende die Lösung ist, es auf unkonventionelle Ansätze ankommt.
Aber hey, wir sind hier in den 1960er Jahren! Und Polizeiarbeit in Oxford ist was für raue Kerle, die viel rauchen und saufen, die meist mit einer einfachen Erklärung für Mord oder Raub vorlieb nehmen und dabei Spuren übersehen. Typen eben, die Morse schief ansehen, weil er ihnen zu intellektuell, clever und sensibel ist. Und wie grauenvoll das Frauenbild jener erdfarbenen Jahre (immer diese ewig gleichen Anzüge der Männer!) war, lässt heute noch erschaudern.
Sieben Staffeln gibt es bereits, wobei die letzte noch nicht in Deutschland zu sehen war. Streamen kann man übrigens sechs Staffeln über einen Chanel bei Amazon Prime.
„Der junge Inspektor Morse – Tödlicher Duft“, Sonntag 18.45 Uhr, ZDFneo
Im Fall „Tödlicher Duft“ verschwindet ein Mädchen nach der Abendschule. Es gibt eine Verbindung zu einem alten Fall, bei dem eine junge Frau angegriffen und sexuell genötigt wurde und seitdem im Koma liegt. Der Heimweg beider Frauen war nahezu identisch …
Die klugen, irgendwie smarten Krimis in Spielfilmlänge beginnen sonntags um 18.45 Uhr und enden 20.15 Uhr, der perfekte Zeitpunkt also, um – nein, nicht aufs Erste zum „Tatort“ um-, sondern das Fernsehgerät einfach wieder auszuschalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste