ZDF-Musikfilm: Spielkind ohne Sicherungsseil
Der Schauspieler Pasquale Aleardi wiederholt sich nicht gern. Im ZDF-Film „Nur eine Nacht“ gibt er jetzt den gestrauchelten Popstar.
Der Kaffee wird kalt. Es gibt zu viel zu erzählen, auch jetzt noch, abends um acht, nach einem langen Tag als Robin Hood. Pasquale Aleardis Begeisterung kennt keinen Drehschluss.
Seit morgens um fünf ist der Schauspieler auf den Beinen, die im Moment tagsüber in Strumpfhosen stecken. Der bekennende Errol-Flynn-Fan Aleardi dreht einen Sat-1-Fantasymärchenfilm, „ein total durchgeknalltes Projekt“, in dem die Sagengestalt ins Heute gesogen wird, „ein bisschen so wie in ’Die Besucher‘ mit Jean Reno“.
20 Jahre nach dem Debüt des Schweizers Aleardi in dem Musikfilm „Tschäss“ hat er, der privat in der Popfunkband The Big Gee singt, mal wieder einen Musikfilm gemacht. In „Nur eine Nacht“ (Buch und Regie: Thorsten Näter) spielt Aleardi den so aus- wie abgebrannten Popstar Alex, der wieder auf die Beine kommen will, indem er ein Musical mit Nachwuchsdarstellern inszeniert: „Die Story ist schnell erzählt: 30 Talente konkurrieren um die eine Hauptrolle.“
Aleardi hofft auf einen Erfolg. Nur wenn die Quote stimmt, wird es noch einen Film geben, „der aus der Reihe tanzt“, wie das ZDF „Nur eine Nacht“ bewirbt. Im Detail erkennt aber auch Aleardi Mängel, „die teilweise klischierten Figuren“, auch hätte er gern mehr geprobt, wichtiger ist ihm aber, dass überhaupt mal was anderes produziert wird als Krimis und Komödien.
Beeindruckt war er vom „Spirit“ der jungen Kollegen: „Viele sind auch noch zum Set gekommen, als sie abgedreht waren.“ Auch Aleardi hat nichts von einem abgewichsten Profi, ist mit jeder Rolle neu auf der Suche, will sich nicht wiederholen.
Hüpfendes Robin-Hood-Bärtchen
Die Jungschauspieler hätten ihm viele Fragen gestellt – „ein schmeichelndes, aber auch seltsames Gefühl“, sagt Aleardi, dessen Robin-Hood-Bärtchen beim Sprechen auf und ab hüpft. „Ich fühle mich alles andere als routiniert.“ Zugleich sei ihm anhand der Fragen aber klar geworden, wie selbstverständlich die Antworten für ihn sind.
Das Wort Routine klingt ihm trotzdem zu sehr nach Nummer sicher. Aleardi schaut auf zu Kollegen, „bei denen man die Technik vergisst“: Daniel Day-Lewis, Anthony Hopkins, Cate Blanchett. Klar brauche man in seinem Beruf Handwerk als Sicherungsseil, „aber bei mir ist es eigentlich immer ein gutes Zeichen, wenn ich vor einer Rolle Schiss habe“.
Wie vor dem Vater, der seine Tochter ermordet haben soll, den Aleardi am 16. Juni im Leipziger „Tatort“ spielt. Normalerweise liebt er die Vorbereitung auf eine Rolle – „Ich behaupte auch, man sieht’s“ –, in diesem Fall war die Annäherung an die Figur eine Qual. „Je tiefer du in die Details deiner Fantasie reingehst, desto stärker wird deine Betroffenheit, wenn du dir etwa vorstellst, wie ein kleines Kind tot daliegt. Das tut irgendwann so weh, als wäre es dein eigenes.“
Da war der Robin-Hood-Film ein willkommenes Kontrastprogramm, konnte er dafür doch das innere Spielkind wieder rausholen. „Ohne Abwechslung würde ich eingehen“, sagt Aleardi. Seine Vielseitigkeit auch zeigen zu können, ist ein Privileg, für das er lange gekämpft hat, lieber Theater gespielt hat als die falschen Fernsehrollen – bloß keine Soaps! –, Durststrecken inbegriffen. Es hat funktioniert: Pasquale Aleardi ist weder auf ein bestimmtes Genre abonniert noch der Migrant vom Dienst.
Letztes Wochenende ist er 42 geworden und hat seinen Geburtstag wie immer mit einer Gruppe von Freunden aus Berlin und der Schweiz gefeiert. Er hat alle eingeladen, dieses Jahr waren es „nur“ 50. Feiert da einer nicht nur Geburtstag, sondern auch die Tatsache, es geschafft zu haben, sich so ein Gelage leisten zu können? „Ich denke nicht“, antwortet Aleardi, der aber einräumt, dass eine Schauspielkarriere für ihn, den Schulversager aus einer griechisch-italienischen Gastarbeiterfamilie, nicht vorgegeben war.
„An meinen Geburtstagen geht es aber ums Feiern an sich und darum, die Freude daran zu teilen.“ Sein Beruf sei dabei „nie Thema“. Spontan lädt Aleardi sein Gegenüber schon mal zur nächsten Party ein – „dieses Spektakel muss man erlebt haben“. Eigentlich kämen die Gäste längst nicht mehr nur seinetwegen, „sondern wegen all der anderen Verrückten“.
„Nur eine Nacht“, Donnerstag, 6. Juni, 20.15 Uhr im ZDF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass