ZDF-Doku über Dracula: Dagegen ist Twilight ein Klacks
Das ZDF sendet am Dienstag Abend "Dracula - Das Vermächtnis des Grafen" (20.15 Uhr). Leider ist die Produktion nur mit Ironie zu ertragen.
Tiefschwarze Schatten vor blutrotem Hintergrund. "Ikone aus dem Schattenreich" und "unsterblicher Mythos seit Jahrhunderten", raunt die Männerstimme aus dem Off. Dann die Schreckensnachricht: "Dracula lebt." Der Zuschauer ist verstört.
In scheinbar endlosen 45 Minuten fühlt das ZDF dem "Vermächtnis des Grafen" auf den Zahn und wagt verwegen und todesmutig den Spagat zwischen "Mythos und Wahrheit". Als Autor darf man sich natürlich glücklich ob der exklusiven Zusatzinformationen im Pressetext schätzen, in denen man frühzeitig auf eine bevorstehende globale Epidemie hingewiesen wird: "Weltweit grassiert ein regelrechtes Vampir-Fieber."
Oh my god!! Was würde die Menschheit nur ohne derart hintergründigen Investigativjournalismus Marke ZDF machen? Unser Weltwissen würde sich einzig aus "Galileo" von Pro7 speisen.
Aber der Exklusivität nicht genug. Durch intensive Recherchen hat der Sender ein paar Totengräber in Rumänien aufgetan, von denen einer "erstmals für das ZDF vor der Kamera" berichtet, wie er einem Leichnam das Herz herausgeschnitten und verbrannt habe. Plus: Es werden "erstmals Aufnahmen der Exhumierung im deutschen Fernsehen gezeigt", von einem Fall, der sechs Jahre zurückliegt.
Selbstverständlich kommen bei dieser aufwendigen Produktion nur die renommiertesten Gesprächspartner zu Wort: Der Urgroßneffe Bram Stokers kennt "kleinste Details" über das Leben seines Urgroßonkels und Charlie Bewley, eine unwichtige Nebenrolle aus den "Twilight"-Filmen, enthüllt in aller Bescheidenheit Details aus seinem Privatleben: "Ich habe eine Menge weiblicher Fans. (…) Ich bin allerdings kein Mädchen und war auch noch nie eins."
Kosten und Mühen wurden bei diesem Film nicht gescheut, Konzept und Niveau dafür umso mehr.
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