„Yellowhammer“-Prognosen für Brexit: Ein schlechtes Hollywood-Szenario
Hamsterkäufe, Polizeieinsätze, Engpässe: Die britische Regierung rechnet beim No-Deal mit schlimmen Folgen. Doch nicht alle Dokumente wurden freigegeben.
Der Sunday-Times-Journalistin Rosamund Urwin waren schon vor Wochen inhaltlich identische Dokumente mit der Überschrift „Grundlegendes Szenario“ zugespielt worden, wie sie auf Twitter schrieb. Die von der Regierung am Mittwoch veröffentlichten Papiere tragen den Titel „Planungsannahmen für den schlimmsten Fall“.
Durch die geänderte Überschrift könnte sich die Opposition in ihrer Vermutung bestätigt sehen, dass die Regierung die möglichen Folgen eines ungeregelten EU-Austritts am 31. Oktober herunterspielt. „Operation Yellowhammer“ (Goldammer) ist der Code-Name für die No-Deal-Planung der britischen Regierung.
Parlamentarier wollen mehr Transparenz
In dem sechsseitigen Dokument wird unter anderem vor Protesten und Störungen der öffentlichen Ordnung gewarnt, die eine „erhebliche Menge“ der Polizeikräfte in Anspruch nehmen würden. Außerdem könnte es aufgrund langer Wartezeiten am Ärmelkanal zu Lieferengpässen bei Medikamenten kommen. In der Folge könnten Krankheiten bei Tieren ausbrechen, die auch die menschliche Gesundheit beeinträchtigen könnten. Auch bestimmte Lebensmittel dürften dem Dokument zufolge knapp werden, verschlimmert durch Hamsterkäufe. In Teilen des Landes könnte es auch zu Kraftstoffengpässen kommen.
Mit den Veröffentlichungen bleibt die Regierung weit hinter den Forderungen des Parlaments zurück. Die Abgeordneten hatten am Montag, kurz vor dem Beginn einer von Johnson auferlegten fünfwöchigen Zwangspause, die Herausgabe sämtlicher Dokumente zu den No-Deal-Planungen verlangt.
Zudem forderten sie die komplette Korrespondenz dazu an, inklusive E-Mails und Kurznachrichten wichtiger Regierungsmitarbeiter und Berater. Staatsminister Michael Gove wies die Forderung als „unangemessen und unverhältnismäßig“ zurück. Die Regierung müsse die Privatsphäre ihrer Mitarbeiter schützen.
Hintergrund der Forderung nach der Korrespondenz war die Vermutung, Johnson wolle das Parlament mit der Zwangspause schlicht kaltstellen, um einen No-Deal-Brexit durchziehen zu können. Der Premier droht offen damit, sein Land ohne Abkommen aus der EU zu führen, sollte sich Brüssel nicht auf seine Forderungen nach Änderungen am Austrittsabkommen einlassen. Dabei hat das Parlament inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das ihn zum Beantragen einer Verlängerung zwingt, sollte nicht rechtzeitig ein Deal mit der EU zustande kommen.
Am Mittwoch schloss sich ein schottisches Gericht der Auffassung der Johnson-Kritiker an und erklärte die Zwangspause für unrechtmäßig. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Johnson tatsächlich der Kontrolle durch das Parlament entgehen wollte. Das Gericht kündigte an, die Zwangspause – die eigentlich erst am 14. Oktober enden soll – für „null und nichtig“ zu erklären.
Oppositionsabgeordnete riefen die Regierung dazu auf, das Parlament umgehend wieder einzuberufen. „Sie sollten uns zurückrufen, damit wir unsere Arbeit machen können“, sagte der Labour-Abgeordnete Hilary Benn dem britischen Sender Sky News. Doch die Regierung wies die Forderungen zurück und kündigte an, zunächst Berufung einzulegen beim obersten britischen Gericht, dem Supreme Court. Dort soll am Dienstag kommender Woche über die Angelegenheit verhandelt werden.
Eine Sprecherin von Parlamentspräsident John Bercow teilte mit, es liege in der Zuständigkeit der Regierung, die Zwangspause vorzeitig zu beenden. Johnson äußerte sich am Mittwoch nicht zu dem Urteil.
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