Yasmine M'Barek liest in Bremen: Kompromiss ist sexy
Yasmine M'Barek plädiert in ihrem Buch „Radikale Kompromisse“ für eine beweglichere Debattenkultur. Jetzt liest sie daraus in Bremen.
![Yasmine M'Barek, Journalistin für „Zeit Online“, sitzt auf Stufen in einem Cafe in Mitte Yasmine M'Barek, Journalistin für „Zeit Online“, sitzt auf Stufen in einem Cafe in Mitte](https://taz.de/picture/5466630/14/276750469-1.jpeg)
Der Titel „Radikale Kompromisse“ mag zuerst nach einem ironischen Widerspruch klingen, M’Barek zeigt aber, warum es keiner ist. Denn: Kompromisse erfordern ein zugewandtes Gegenüber. In einer Zeit starrer Polarität ist Radikalität dann genau das: Beweglichkeit.
Und Bewegung ist ja dringend nötig. Ob Energiewende, Antirassismus, Rentenreform oder Wohnungspolitik – M’Barek analysiert die großen Themen der Gegenwart. Dabei erinnert sie immer wieder an zwei elementare Fragen: Was ist das übergeordnete Ziel? Und wie übersetzt man Ideale schnellstmöglich in reale Politik?
Ihre Lösung: Man muss Kompromisse schließen, um realpolitisch voranzukommen. M’Barek zeichnet Realpolitik dabei so: Unterschiedliche Ideale sind zwar immer Impulse, aber niemals Dogmen. Es geht der Autorin um das „zunächst Mögliche“. Ihr Appell: Verliert euch nicht in eurer Empörung, sonnt euch nicht in eurer Tugendhaftigkeit – das lenkt vom eigentlichen Ziel ab. So kommt man nicht voran.
Lesung Yasmine M'Barek: Fr,25. 3., 20 Uhr, Bremen, Kulturzentrum Lagerhaus (3G).
„Radikale Kompromisse“, Hoffmann & Campe, Hamburg 2022, 192 S., 18 Euro; E-Book 12,99 Euro
Im Zentrum von M’Bareks Argumentation steht ein Modell, das verdeutlichen soll, wie sich politische Ziele am besten erreichen lassen: „Idealisten zeigen die Grundprobleme des Systems auf, Realisten suchen Lösungsansätze, die Stagnierenden werden überzeugt.“ Es wäre falsch, die drei Gruppen automatisch jeweils einer Partei zuzuordnen. Idealisten sind für M’Barek beispielsweise nicht per se linksgrüne Personen. Meist ordne man Menschen normativ eine Position zu, weil man sie einem bestimmten politischen Spektrum zurechne, so die Autorin. Das wolle sie aufbrechen. Es geht M’Barek um Beweglichkeit – im geistigen wie politischen Sinne.
Man kann ihre Thesen durchaus kritisieren, zum Beispiel dass sie Atomstrom als „Brückenlösung“ befürwortet. Trotz der heiklen Themen möchte man ihr beim Lesen aber nicht schreiend, sondern sachlich widersprechen – und das ist ein Verdienst der Autorin. Denn: Sie argumentiert immer nüchtern, nie moralisch. Und genau deshalb ist M’Barek so erfrischend: Das Argument soll überzeugen, nicht die Emotion. Damit kühlt sie hitzige Diskussionen herab und ist ein Vorbild für eine produktive Streitkultur.
Wer jedoch glaubt, in der 23-jährigen Autorin aus Köln (linksrheinisch) die Stimme ihrer Generation zu finden, der liegt falsch. Jung, weiblich, migrantisch – ja, all das ist Yasmine M’Barek auch. Aber so wenig wie sich aus diesen Attributen ihre politischen Ansichten ableiten lassen, so wenig treffend ist auch der plakative Generationenbegriff. Interessant ist sie, weil ihre Meinungen eben nicht erwartbar sind. Und weil sie dabei vor allem eines vorlebt: Lust auf Komplexität.
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