Wulff und die "Bild"-Affäre: Erst Cäsar, dann Schweigen
Bundespräsident Wulff lässt wegen seines Anrufs bei Kai Diekmann nur versichern, Pressefreiheit sei ein "hohes Gut". Doch es gab mehr als einen Anruf bei Springer.
BERLIN taz | Neben der Debatte über seinen umstrittenen Privatkredit hat Bundespräsident Christian Wulff jetzt auch noch eine Telefonaffäre an der Backe. Weil die Bild-Zeitung plante, am 13. Dezember Einzelheiten über den 500.000-Euro-Privatkredit des Untenehmerehepaares Geerkens an Wulff zu veröffentlichen, griff der Präsident auf seiner Kuwait-Reise am 12. Dezenber selbst zum Hörer. Doch weder Bild-Chefredakteur Kai Diekmann noch Springer-Chef Mathias Döpfner hatten für das Anliegen des deutschen Staatsoberhauptes ein Ohr.
Die Bild-Zeitung bestätigte, Wulff habe am 12. Dezember - einem Montag - versucht, Diekmann direkt zu erreichen. Weil dies nicht gelang, da der Bild-Chef gerade in New York unterwegs war, "hinterließ der Bundespräsident eine längere Nachricht auf der Handy-Mailbox des Chefredakteurs", schreibt bild.de "in eigener Sache", nachdem zuvor bereits die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und die Süddeutsche (SZ) berichtet hatten.
In seiner Nachricht habe sich Wulff "empört über die Recherchen zu dem Hauskredit" gezeigt und "u. a. mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen Bild-Redakteur" gedroht. Laut SZ kündigte der früher mit Bild stets auf gutem Fuß stehende Bundespräsident dem Blatt und dem Haus Springer den "endgültigen Bruch" an. Falls diese "unglaubliche" Geschichte erscheine, sei damit für ihn und seine Ehefrau Bettina "der Rubikon überschritten".
Döpfner mischt sich nicht ein
Wie in Kreisen des Springer-Verlages am Montag bestätigt wurde, hatte sich Wulff mit seinem Anliegen am gleichen Tag auch bei Vorstandschef Mathias Döpfner gemeldet. Doch Döpfner habe Wulff an das bei Springer geltende "Chefredakteursprinzip" erinnert und eine Einmischung in redaktionelle Angelegenheiten ausgeschlossen.
Bild hatte am 13. Dezember berichtet, Wulff habe 2010 als niedersächsischer Ministerpräsident im Landtag auf die Frage nach Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmer nicht angegeben, dass er und seine Frau Bettina von dessen Gattin ein Darlehen über eine halbe Million Euro erhalten hatten. Der Bundespräsident hatte sich zwei Tage vor Weihnachten für seinen zögerlichen Umgang mit der Kreditaffäre entschuldigt, einen Rücktritt aber ausgeschlossen. Seitdem kommen immer neue Details ans Licht.
Bild hat nach eigenen Angaben vor der Veröffentlichung der Recherchen zu den Umständen des Kredits Wulff Gelegenheit zu einer ausführlichen Stellungnahme gegeben: "Eine solche Stellungnahme hatte der Bundespräsident am Montag, den 12. Dezember, zunächst abgeben lassen, dann aber kurz vor Redaktionsschluss wieder zurückgezogen."
Wulff schweigt bislang zu den fraglichen Telefonaten. "Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident (…) grundsätzlich keine Auskunft", heißt es in einer Erklärung des Bundespräsidialamts, eine Sprecherin versicherte aber, für Wulff sei die "Presse- und Rundfunkfreiheit (…) ein hohes Gut".
Bettina Wulff "kein Thema mehr"
Dass seine persönliche Einmischung kontraproduktiv war, scheint dem Bundespräsidenten allerdings schon früher klar geworden zu sein. Laut Bild suchte er am 15. Dezember nämlich "erneut den Kontakt zum Bild-Chefredakteur und bat in einem Telefonat persönlich um Entschuldigung für Ton und Inhalt seiner Äußerungen auf der Handy-Mailbox". Man habe daher "nach breiter redaktioneller Debatte davon abgesehen, eigens über den Vorfall zu berichten", heißt es.
Spekulationen, Bild habe auch wegen Recherchen über das frühere Leben von Bettina Wulff den Groll des Bundespräsidenten auf sich gezogen, wollte der Springer-Verlag gestern nicht kommentieren. Intern heißt es, dies sei "kein Thema mehr".
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte Wulffs versuchte Einmischung in die redaktionelle Berichterstattung am Montag scharf. "Prominente müssen sich kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Dies müsse "niemand besser wissen als der erste Mann im Staat", so Konken.
Auch der Deutsche Presserat äußerte sich irritiert und erklärte, der Bundespräsident habe mit seinem Verhalten weiteren Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit genährt. Am 12. Dezember hatte sich Wulff nach seinem untauglichen Versuch, Berichterstattung zu verhindern, in Kuwait wieder seinen Amtsgeschäften zugewandt.
Zum Abschluss der sechstägigen Reise in diverse Golfstaaten machte er sich nochmals für die Pressefreiheit in den Ländern der Region stark. Zwar seien Presse- und Meinungsfreiheit "immer ein Stachel im Fleisch der Regierenden und der Herrschenden", sagte Wulff laut Berichten von Nachrichtenagenturen, am Ende seien sie aber "die beste Grundlage für erfolgreiche gesellschaftliche Entwicklung".
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