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Wolfsburgs Kampf gegen den AbstiegAuf die harte Tour

Nach dem Unentschieden gegen St. Pauli setzt VfL-Coach Felix Magath auf seine Art der Mitarbeitermotivation: Er schlägt verbal auf die verunsicherte Elf ein.

Fehlt Magath bei seinen Spielern: Mannschaftsgeist, Geschlossenheit und Wille. Bild: reuters

WOLFSBURG taz | Hat Felix Magath seinen Zauber verloren? Hat er nicht, weil es keinen Zauber gibt im Fußball, auch wenn manche das manchmal gern so hätten. Der Geschäftsführer, Manager und Trainer des VfL Wolfsburg hat das Team in einer komplizierten Situation übernommen - und nach dem 2:2 gegen den FC St. Pauli ist sie nicht unkomplizierter geworden. Vier Spiele, drei Punkte: Wie es derzeit aussieht, wird der Meistertrainer von 2009 froh sein müssen, wenn der VfL Platz 16 erreicht und in zwei Relegationsspielen versuchen darf, den Abstieg zu vermeiden.

Magath versuchte es auch gegen den FC St. Pauli mit einer überarbeiteten Fassung seines Meisterstücks: 4-4-2 mit Raute und Josue als Sechser, vorn zwei schnelle Spitzen. Aber diese Spitzen kriegt man nicht ins Spiel. Das liegt zum einen an der fehlenden Spielidee, zum anderen an den Stürmern. Grafite und Mandzukic kriegen keine guten Bälle und mit den schwierigen können sie nicht umgehen.

Generell ist es nicht einfach, wenn als Stabilisatoren gedachte Profis wie Kjaer und Benaglio statt ein glückliches 1:0 zu sichern, mit Aussetzern die gegnerischen Treffer von Naki und Lehmann initiieren. Und wie soll man einem 1:2 hinterherrennen, wenn die einen die Bälle verstolpern und die anderen sie ins Aus spielen? Es stimmt einfach nicht in diesem Team.

Und Magath hat diese Problematik bisher auch nicht in den Griff bekommen. Insofern hat er es durchaus auch als Gnade empfunden, trotzdem einen Punkt geschenkt zu bekommen, weil St. Pauli den eingewechselten Jan Polak kurz vor Ende einen Standard ungehindert einköpfen ließ "Das ist bitter - bitter, bitter, bitter", brummte St. Paulis Sportchef Helmut Schulte.

St. Pauli spielte gut organisiert und dabei erstaunlich mutig. Kurz: "richtig gut Fußball", wie Trainer Holger Stanislawski fand, hatte 19:9 Schüsse und diverse Chancen. Der Punkt, sagte der Trainer, "fühlt sich an wie eine Niederlage". Tabellarisch hat es St. Pauli verpasst, am VfL vorbeizuziehen und zudem psychologisch dem abgestürzten Ex-Spitzenklub einen Haken zu verpassen, von dem der sich womöglich nicht mehr erholt hätte.

"Wir sind ein Team, der Trainer glaubt an uns"

"Wenn man nach dem Spiel die Wolfsburger anschaut und uns, kann man sehen, dass es denen schlechter geht", sagte Torschütze Naki und prophezeite umgehend einen Sieg im Osterheimspiel gegen Werder Bremen. Weil: "Wir sind ein Team, der Trainer glaubt an uns."

Beim VfL Wolfsburg ist es nach den Eindrücken vom Wochenende umgekehrt. Während der scheidende Stanislawski bei allem Frust die Homogenität des Teams pries, nahm Magath seine Mannschaft auseinander. "Wir haben zu viele Spieler, die selbst gute Leistungen abliefern wollen, ohne auf die Mitspieler zu achten", sagte er. Also Egoisten. Es fehle "Mannschaftsgeist" und "Geschlossenheit" und "Wille". Also alles.

Damit kommt es in den nächsten Wochen zu einem spannenden Showdown unterschiedlicher Herangehensweisen: Der scheidende Stanislawski streichelt das Team und beschwört den langen, guten, gemeinsamen Weg, den man gegangen sei und von dem man sich nicht abbringen lasse. Der gerade erst zurückgekehrte Magath lässt derweil kein gutes Haar an seinen Angestellten und gibt speziell dem Hauptkreativverantwortlichen Diego noch richtig einen mit, indem er ihn nicht nur auswechselt, sondern auch noch eine Portion Magath-Sarkasmus zukommen lässt.

Baut man so Spieler auf und schafft Teamspirit, indem man sich vom Team distanziert? Zum jetzigen Zeitpunkt spricht wenig dafür. Aber Magath hofft darauf, dass er es am Ende doch wieder auf die harte Tour hinkriegt. Es wäre ja auch seltsam, wenn er plötzlich den kumpeligen Schmusetrainer geben würde. "Man kann nach diesem Spiel nicht so optimistisch sein", sagte er in aller angestrengten Ruhe, "aber warum soll man jetzt aufgeben?" Da hat er recht.

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