Wolfsburger Trainerfrage: Befreit aufgespielt
In Wolfsburg lieben alle Lorenz-Günther Köstner dafür, dass er nicht Felix Magath ist. Das wirkt sich im ersten Spiel nach dessen Entlassung positiv aus.
Lorenz-Günther Köstner seufzte leise, als er mit der Frage konfrontiert wurde, die gestellt werden musste. Der Fußballlehrer ließ sich Zeit bei der Wahl seiner Worte, „Sie werden immer wieder kitzeln wollen, das ist doch ganz klar“, sagte er dann zu dem Journalisten, der sich nach den Ambitionen des Wolfsburger Interimstrainers auf den Cheftrainerposten erkundigt hatte. „Wir haben nicht drüber gesprochen, warum sollte ich da vorgreifen?“, wand Köstner sich, aber eine allzu genügsame Haltung wirkt vielleicht eher abschreckend auf Automanager wie VW-Chef Martin Winterkorn und Javier García Sanz, den Aufsichtsratschef des Bundesligisten.
Köstner konnte mit dem 4:1-Erfolg des VfL in Düsseldorf an diesem Wochenende durchaus ein paar Argumente für sich sammeln, und Cheftrainer dieser teuren Mannschaft zu werden wäre die Erfüllung eines Traums für den 60-Jährigen. Aber „wenn VW andere Ziele verfolgt“, ergänzte er noch, habe er „überhaupt keine Probleme, wieder zurückzustecken“, und sein Projekt als Fußballlehrer der Wolfsburger Reserve fortzuführen.
Gleich im ersten Training hat Köstner jene erste Elf kreiert, die dann auch in Düsseldorf spielte, berichtete er zufrieden. Sechs neue Spieler rückten in die Formation, „ich hatte von Anfang an das Gefühl, die Mannschaft gefunden zu haben“, sagte Köstner. Vor allen Dingen Diego wirkte wie verwandelt. „Für mich ist die Situation mit dem neuen Coach, Mr. Lorenz, sehr gut“, sagte der Brasilianer, der sein erstes Tor für Wolfsburg seit Februar 2010 erzielte (78.), Köstner habe „Respekt vor allen Spielern gezeigt und der Mannschaft „neues Selbstvertrauen gegeben“.
Tristesse beendet
Wie sehr diese Wiedergeburt nun mit der Trainerentlassung zu tun hat, wird sich wohl nie zweifelsfrei klären lassen, genau genommen waren es erst die beiden Tore zur 2:0-Führung (Dost, 50.; Olic, 53.), die den Effekt der Befreiung auslösten. In der ersten Hälfte hatten sich zwei extrem schwache Bundesligisten eine Unzulänglichkeit nach der anderen geleistet.
Erst die Tore, „genau im richtigen Moment“ (Köstner), beendeten die Tristesse zumindest für eine Mannschaft. „Nach so einem Doppelschlag kriegt man unglaublich Selbstvertrauen, man merkt, es geht doch“, fasste Marcel Schaefer seine Erlebnisse während dieser Minuten zusammen. Die Niedersachsen wurden immer besser, Bart Dost traf nach wunderbarer Kombination zum 3:0 (64.), und Jens Langenekes zwischenzeitliches 1:3 (78.) erwiderte Diego mit seinem Elfmetertor zum 1:4.
Diegos Steigerung war das vielleicht deutlichste Indiz dafür, dass Magaths Abgang diesem Team weiterhelfen wird. Das schwierige Verhältnis des Brasilianers zum entlassenen Trainer war nie ein Geheimnis. Über das genaue Ausmaß der Störungen zwischen Magath und Mannschaft mochte am Samstag aber niemand Auskunft geben. „Ich wünsche unserem alten Coach alles Gute“, sagte Diego.
Vielleicht werden einzelne Spieler in den kommenden Wochen in ausgeruhten Interviews ein paar Details preisgeben, Gerüchte, dass ein Spieleraufstand Magaths Rauswurf forciert habe, träfen aber nicht zu, sagte Schaefer. Es sei „viel Mist geschrieben worden“, außerdem dürfe man jetzt nicht mehr „in der Vergangenheit herumkramen“, meinte der Außenverteidiger. Sie wollen jetzt nach vorne blicken, und da wartet am Mittwoch bereits ein interessantes Pokalspiel gegen FSV Frankfurt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind