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Wolfgang Neskovic über Linke-Vorstand„Ich bin für Kipping und Wagenknecht“

Obwohl sie nicht will, plädiert Linke-Politiker Wolfgang Neskovic für Sahra Wagenknecht als Parteichefin. Gemeinsam mit Kipping würde sie eine überzeugende Spitze bilden.

Neskovic' Dreamteam: Sahra Wagenknecht und Katja Kipping. Bild: dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Neskovic, warum geht es der Linkspartei so mies?

Wolfgang Neskovic: Das hat viele Gründe. Wir sind ein Kessel Buntes aus Ost und West mit sehr verschiedenen Biografien. Es ist nicht gelungen, diese zu einer schlagkräftigen Einheit zusammenzuführen.

Und wer ist schuld daran?

Schuld und Unschuld sind die falschen Kategorien. Wichtig ist, jetzt Personen zu finden, die in der Lage sind, die unterschiedlichen Gruppen zusammenzuführen. Das ist Gysi und Lafontaine nach 2005 gelungen. Schwierig ist die Situation nach dem krankheitsbedingten Rückzug von Lafontaine geworden. Seitdem sind die Machtkämpfe eskaliert.

Fällt die Partei auseinander?

Bild: dapd
Im Interview: WOLFGANG NESKOVIC

63, ist rechtspolitischer Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag. Zuvor war er Richter am Landgericht Lübeck, von 2002 bis 2005 am Bundesgerichtshof.

Ich glaube nicht, dass sie sich formal spalten wird. Aber mit Dietmar Bartsch als Vorsitzendem wird die Lage im Westen wirklich ernst. Ich fürchte, dass die Partei sich mit Bartsch zu einer ostdeutschen Regionalpartei zurückbildet – mit absehbarem Verfallsdatum.

Fast zwei Drittel der Parteimitglieder sind aus dem Osten. Und die Mehrheit der ostdeutschen Delegierten unterstützt Bartsch. Die können Sie nicht ignorieren.

Die Linke hat nur eine Chance, wenn sie sich von dem strömungsorientierten Proporzdenken löst. Sie hat nur eine Chance, wenn sie eine gesellschaftliche Alternative zu dem neoliberalen Konzept vertritt. Das versucht zum Beispiel das „Institut Solidarische Moderne“, in dem Linke, Grüne und Sozialdemokraten an einem solchen Gesellschaftsentwurf arbeiten. Es geht darum, diese Ideen voranzutreiben – ob Mann oder Frau, West oder Ost, sollte zweirangig sein.

Wer soll die Linkspartei führen?

Ich plädiere für Katja Kipping und Sahra Wagenknecht. Kipping kennt als stellvertretende Vorsitzende das Innenleben der Partei. Sie ist taktisch geschickt und beharrlich. Sie vertritt mit Herzblut ihre Inhalte – das bedingungslose Grundeinkommen und die Sanktionsfreiheit bei Hartz IV. Und sie arbeitet nicht nur im Parlament, sondern richtet sich auch an die gesellschaftliche und kulturelle Linke außerhalb des Parlaments. Und Wagenknecht kann mit ihrer Überzeugungskraft nach außen für unsere Positionen werben.

Aber polarisiert Wagenknecht nach innen nicht genau so, wie Sie es bei Bartsch vermuten?

Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Wenn Wagenknecht im Osten auftritt, erfährt sie immer Zuspruch. Von Polarisierung kann keine Rede sein.

Nun will Wagenknecht aber nicht kandidieren – ob Parteivorsitzende ihrem Talent entspräche, mal ganz beiseitegelassen.

Sie will bisher nicht. Wenn sie antritt, wäre ihr auf dem Parteitag eine Mehrtheit wohl sicher. Sie und Kipping wären der einzige Weg, um zu verhindern, dass es mit der Partei weiter abwärts geht.

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10 Kommentare

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  • SF
    Sissy Fuß

    @viccy: „Warum tritt er nicht an?“

     

    Aus einem einfachen Grund: Er ist kein Mitglied der Linken. Er glaubt zwar zu wissen, was die Linke tun muß, damit er nächstes Jahr wieder in den Bundestag kommt, will dafür aber nicht selbst den Buckel krumm machen. Deshalb ist er kein Mitglied, zahlt keine Mandatsträgerbeiträge und beteiligt sich auch nicht am Spendenfonds der Fraktion.

     

    Er war aber ein guter Richter.

  • A
    Adebar

    "von Nie wieder:

    Ich bin für Demokratie, Redefreiheit und Gedankenfreiheit - deshalb auch gegen die SED, alias SED-PDS, alias PDS, alias Linkspartei. Wer da Generalsekretär wird ist mir egal. Der taz natürlich nicht. Man will ja keine wichtigen Anzeigenkunden verlieren und außerdem haben ja schon vor der Wende viele mit der SED kollaboriert. Schon damals also eine "Linkspartei". Nie wieder Sozialismus, nie wieder Diktatur. An dem Tag an dem eine Machtergreifung der "Linkspartei" droht, muß man bereit sein zu den Waffen zu greifen. Man muß endlich die SED-Diktatoren bestrafen, ihre Kollaborateure ebenso, die Partei verbieten und das gestohlene Parteigeld dem Volk wiedergeben. Kollaborateure in den Medien sind mit Berufsverbot zu belegen. Sozialismus ist keine Meinung, Sozialismus ist ein Verbrechen."

     

    Das spricht für sich selber.Kommunistenfresser ohne jeglich Ahnung und vor allen Dingen sehr demokratisch.Mann/Frau kann nur hoffen, daß solche Typen die Minderheit in diesem Land darstellt.

    Adebar

  • RA
    ralf ansorge

    weder der arbeitslose in rostock,bitterfeld oder auch bremerhaven braucht die sedpdslinke,erst recht nicht der kleine selbständige,die umweltschützerin oder der aufstocker.allerdings ist sie wichtig für alle ostalgiker,israelfeinde,stasiveteranen und noch so ein paar freakgruppierungen.wer von dieser ansammlung von ideologisch verblendeten vollpfosten ernsthafte beiträge zur bekämpfung der orobleme in d. und der welt erwartet....viel spaß...

  • W
    Weinberg

    Wolfgang Neskovic hat erkannt, dass nur das Gespann Wagenknecht / Kipping die verfahrene Situation retten kann.

     

    Bartsch und sein Gefolge („Intriganten-Stadl“) sowie die weiteren BewerberInnen sollten im Interesse der Sache auf eine Kandidatur verzichten. Ich bin gespannt, ob die Akteure einsichtig und lernfähig sind.

     

    Der Herr möge (auch auf Atheisten) Hirn regnen lassen!

  • V
    viccy

    Richter am BGH gewesen und trotzdem hat ihn die Gehirnwäsche des Mainstreams nicht verdreht. Alleine das ist eine beachtliche Lebensleistung von Neskovic. Warum tritt er nicht an? Ich glaube soooo sehr besser geeignet für die Reihe Nr. 1 ist die äußerst intelligente und rhetorisch gewandte, aber doch auch etwas steife Wagenknecht auch nicht. Und das ist nichts schlechtes über Wagenknecht, im Gegenteil, sie ist authentisch und kein NLP-Manipulator für Arme. Aber ob es eben für Reihe 1 so ganz die beste Wahl ist? Dann doch eher Leute wie Seehofer, die keine 7-stellige Zahl korrekt lesen können (youtube!), aber irgendwie telegen sind.

  • NW
    Nie wieder

    Ich bin für Demokratie, Redefreiheit und Gedankenfreiheit - deshalb auch gegen die SED, alias SED-PDS, alias PDS, alias Linkspartei. Wer da Generalsekretär wird ist mir egal. Der taz natürlich nicht. Man will ja keine wichtigen Anzeigenkunden verlieren und außerdem haben ja schon vor der Wende viele mit der SED kollaboriert. Schon damals also eine "Linkspartei". Nie wieder Sozialismus, nie wieder Diktatur. An dem Tag an dem eine Machtergreifung der "Linkspartei" droht, muß man bereit sein zu den Waffen zu greifen. Man muß endlich die SED-Diktatoren bestrafen, ihre Kollaborateure ebenso, die Partei verbieten und das gestohlene Parteigeld dem Volk wiedergeben. Kollaborateure in den Medien sind mit Berufsverbot zu belegen. Sozialismus ist keine Meinung, Sozialismus ist ein Verbrechen.

  • S
    Sabine

    Auch ich finde eine Linken-Führung bestehend aus Frau Kipping und Frau Wagenknecht am besten.

     

    Herr Bartsch ist für mich konturlos. - Ich weiß nicht, wofür er inhaltlich überhaupt steht.Nur, das er stets an die Macht will, ist klar. Das ist zu wenig.

     

    Frau Kipping ist sehr engagiert. Sie hat z.B. mit der Linkspartei im Bundestag die Abschaffung der existenzbedrohenden, demütigenden Sanktionen gegen Hartz IV Betroffene beantragt, die dringend nötig ist!

     

    Die blöden neoliberalen Grünen und die neoliberale SPD haben nicht (!) für die Abschaffung der Sanktionen gestimmt.

     

    Die Massen an Armen und ihre Horror-Lebensbedingungen, die diese beiden Verräter-Parteien während ihrer Regierungszeit per Gesetz mit "produziert" haben, sind ihnen bis heute völlig egal!

     

    Außerdem fällt Frau Kipping zur konkreten Ausgestaltung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) wohl mehr Substanzielles ein, als den eingebildeten Herren Piraten, die idiotischerweise ein BGE unterhalb (!) des Hartz IV -Satzes fordern, wovon erst recht kein Mensch leben kann.

     

    Frau Wagenknecht ist u.a. in ihrer kundigen Argumentation bezogen auf die Finanzkrise Gold wert. - Herr Bartsch kann ihr nicht im Geringsten das Wasser reichen.

  • A
    Adebar

    Wie aus anderen Medien zu erfahren war, wirft anscheinend Bernd Riexinger seinen Hut in den Ring. Das wäre ein gute Kompromißkandidat, weil er als Verdichef in BaWü die Seite derer vertritt, die in der Linkspartei eine Alternative sehen und vor allen Dingen ist Riexinger einer, der die Situation von lohnabhängigen und weisungsgebundenen Menschen sehr genau kennt. Kampferprobt und menschlich sehr integer und überzeugend.

    Das wäre wie gesagt eine gute Alternative.

    Adebar

  • VG
    Vera Gehlkiel

    Traurig, diese Selbstzerfleischung der Linken. Das einzige probate Mittel dagegen ist und war, und da mag man als Fundi Verräter schreien, soviel man will, die entschlossene Zuwendung zur Realpolitik mit dem Ziel der Regierungsbeteiligung wann immer und wie immer möglich.

    Wagenknecht und Lafontaine mögen als Glamourpaar der Partei eine Attraktion verleihen, die vielleicht viele blendet. Faktisch sind sie Figuren des Überganges. Sie können Aufmerksamkeit generieren und bündeln, auch heutzutage. Sie bringen Einschaltquoten, wenn sie in Talkshows anwesend sind.

    Aber Lafontaine ist nicht mehr der Taktiker der Macht, der er einstmals gewesen ist, und Wagenknecht wird, zum Teil wohl einfach aufgrund ihres guten Aussehens und ihrer Eloquenz, sowieso überschätzt.

    Die Basis der Bewegung liegt im Osten. Sie sollte sich jetzt auf ihre Wurzeln besinnen. Die Sprache der Menschen, welche eine linke Alternative nicht aus Bedürfnis nach intellektuellen Appetithappen benötigen, sondern, weil sie nur durch diese überhaupt noch eine Repräsentanz (die ja schwach genug ist!) im politischen System haben, sprechen ganz entschieden eher die "Realos" wie Bartsch und Ramelow.

     

    Meines Erachtens muß mit per se unerfüllbaren Grundforderungen und Welterrettungszuständigkeitsansprüchen, unter denen man es nicht machen will mit einer Regierungsbeteilung, oder einer Beteiligung an überhaupt irgend etwas, jetzt Schluß sein. Der Arbeitslose in Rostock oder Bitterfeld hat nichts davon, wenn die Parteispitze einen raushaut zur israelischen Siedlungspolitik oder zum Afghanistankrieg und sich damit ohne Not jeglicher Koalitionsfähigkeit begibt.

     

    Wagenknecht und Lafo haben sich selbst in diese Ecke gestellt und sind folgerichtig am Ende als Salonmarxisten reinsten Wassers zu betrachten. Sie mögen in Schönheit sterben wie dazumal Jutta Ditfurth und andere bei den Grünen.

    Die gravierende und beständige Zunahme der hybriden Entkoppellung weiter Teile der Bevölkerungen, der Übergang ganzer Schichten prekär lebender in die Entpolitisierung, die neue Armut direkt neben und als Fundament der Zentren der Reichen und Mächtigen, die Bedrohung des gesellschaftlich und kulturell uns bestimmt habenden Grundgedankens der Solidarität: all das macht die Linke bitter notwendig. Wenn sie wirkmächtig bestehen können will, muß sie Brücken bauen und Verknüpfung herstellen. Was bedeutet, daß bestimmte, nicht kompatible Themen eben auch außen vor zu bleiben haben.

    Daß seid ihr den Leuten, die ihr zu vertreten den Anspruch habt, verdammt schuldig! Verkohlt sie nicht weiterhin mit euren abgehobenen und spalterischen Diskursen! Geht Koalitionen ein! Kämpft für eine linke Mehrheit in Deutschland statt für eine belanglose Radikalopposition!

  • H
    Hajü (Grüner)

    Öl ins Feuer giessen, nennt man das wohl ausgerechnet Neskovic zu interviewen. Bartsch und Neskovic, das ist eine der Öffentlichkeit kaum bekannter Konflikt.