Wolfgang Mulke über den abgewendeten Bahnstreik: Verlierer: Alle Beteiligten
Alle Pendler und Feiertagsurlauber können jetzt erst einmal aufatmen. Der angesagte Bahnstreik findet nun doch nicht statt, nachdem die Deutsche Bahn vor Gericht einen Vergleich mit der Gewerkschaft für Eisenbahn- und Verkehrswesen (EVG) erzielen konnte. Nach nunmehr fast zehn Wochen gegenseitiger Vorwürfe steht jetzt also die Tür für echte Verhandlungen offen. Die Tarifparteien sollten die Chance nun auch tatsächlich nutzen und ernsthaft einen Kompromiss anstreben.
Der Wille zur Einigung war bisher auf beiden Seiten nicht allzu hoch. Darin liegt auch weiterhin die Gefahr, dass die aktuelle Entwarnung nur von kurzer Dauer sein könnte.
Verlierer der jüngsten Eskalation sind: alle Beteiligten und Betroffenen. Bahnfahrer mussten ihre Pläne vielfach über den Haufen werfen. Und der Verkehr leidet auch in den kommenden Tagen noch unter den Nachwirkungen der Vorbereitungen auf den Ausstand. Die unbeteiligten Bahnunternehmen im Güterverkehr müssen deshalb zusätzliche Kosten hinnehmen.
Die Deutsche Bahn hat mit ihrem zaudernden Verhalten bei der Frage des Mindestlohns Sympathien verspielt und bringt in der Feiertagswoche eine noch schlechtere Leistung als sonst schon üblich.
Die EVG muss sich einen überzogenen Arbeitskampf vorwerfen lassen, den das Arbeitsgericht ohne Vergleich wohl untersagt hätte. Substanziell hat die EVG auch nicht mehr erreicht, als die Bahn zuletzt schon angeboten hat.
Und der Grundkonflikt bleibt ja bestehen: Die Gewerkschaft will deutlich mehr Geld für die Bahnbeschäftigten durchsetzen und dabei vor allem die Geringverdiener besserstellen. Die Deutsche Bahn hingegen will bei den Niedriglöhnen nur so viel draufsatteln, dass der Abstand zu anderen Branchenunternehmen bei Sicherheits- oder Reinigungsdiensten nicht zu hoch wird.
Angesichts der vergleichsweise geringen Zahl von Betroffenen – etwa 2.000 von insgesamt 180.000 – ist das keine Frage des Geldes, sondern des Prinzips. Das macht die Lösung so schwer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen