Wolfgang Köhler — Gestaltpsychologe und Nazigegner

■ Freie Universität zeigt Ausstellung über Leben und Werk/ Rehabilitation erst 1962 durch Ehrenbürgerschaft

Dahlem. Die Universitätsbibliothek der FU zeigt ab heute eine Ausstellung über Leben und Werk von Wolfgang Köhler (1887-1967). Köhler ist vor allem berühmt als einer der beiden Gründer der wissenschaftlichen Schule der »Gestaltpsychologie«.

Seine grundlegende These war, daß wir in der Welt immer unmittelbar »Gestalten« wahrnehmen und nicht einzelne Reize, die wir dann im Bewußtsein zusammensetzen. Internationalen Respekt und den Spitznamen »Affenköhler« erhielt er durch sein Buch »Intelligenzprüfungen an Menschenaffen« (1921).

Während seine »behavioristisch« orientierten Kollegen behaupteten, daß alle Lebewesen nur auf äußere Reize reagieren, bewies Köhler, daß Affen intelligent handeln. Seine beobachteten Schimpansen benützten Stöcke oder Kisten, um an Bananen heranzukommen, ein Orang-Utan- Weibchen nagte sogar aus dem Holz des Käfigs eine Latte heraus, um diese zum Angeln des Futters zu benutzen.

Köhler wurde aber nicht nur durch seine wissenschaftlichen Leistungen bekannt, sondern nach 1933 auch durch seine politische Haltung gegenüber den Nazis. Als im April 1933 die ersten jüdischen Professoren entlassen wurden, veröffentlichte er in der 'Deutschen Allgemeinen Zeitung‘, einen Artikel, in dem er zum »Einhalt« mahnte. Köhler war der einzige deutsche Hochschullehrer der diesen Mut fand. Er wehrte sich auch dagegen, daß die braunen Studenten sein Institut durchsuchten und Ausweise seiner Hörer kontrollierten. Als Vorlesungen mit dem Hitlergruß eröffnet werden mußten, gab er eine Erklärung ab, daß er dies nicht aus Überzeugung tue, sondern weil die Regierung es angeordnet habe. Schützend stellte er sich vor seine Assistenten, als sie entlassen werden sollten, zum Beispiel vor Karl Duncker, der Sohn eines sehr bekannten Kommunisten, oder vor Kurt Lewin, einen sozialistisch eingestellten jüdischen Privatdozenten, der später in den USA sehr berühmt wurde. Doch Köhler konnte den Eingriffen der Nazis in sein Institut auf Dauer nicht Einhalt gebieten. Als die Verträge seiner Assistenten nicht mehr verlängert wurden, legte er 1935 sein Amt nieder und emigrierte in die USA.

Nach dem Krieg wurde nicht Köhler Direktor des Psycholgischen Instituts, sondern der alte NSDAP-Mann, Oswald Kroh. Erst von Krohs Nachfolger wurde Köhler wieder zu Lehrveranstaltungen an die FU eingeladen und erst 1962 konnte sich die Universität entschließen, Köhlers wissenschaftliche und menschliche Leistung offiziell zu würdigen. Ulfried Geuter

Ausstellung, Garystr.39. Mo-Fr 9 bis 20 Uhr. Mo., 8.10. um 14 Uhr Video-Bänder mit historischen Aufnahmen der Schimpansen-Studien.