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■ Das PortraitWole Soyinka

Er hat Nigeria vor kurzem zum vierten Mal verlassen: der prominenteste Bürger des Landes, der Dichter, Weltbürger und Nobelpreisträger Wole Soyinka. Von London aus appelliert er an die Welt, Druck auf die Nigerianische Junta auszuüben, damit die Ergebnisse der demokratischen Wahlen vom 12. Juni nicht annulliert, sondern durchgesetzt werden. Er verlangt nichts Unmögliches, nicht einmal eine Intervention: „Die Nigerianer“, schreibt der Nigerianer, „haben immer wieder bewiesen, daß sie zu Opfern bereit sind; wir verlangen lediglich, daß die internationale Gemeinschaft ihre gegenwärtigen Heimsuchungen durch diese Maßnahmen erleichtert, die ihr durchaus zur Verfügung stehen; intensiver diplomatischer Druck und wirtschaftliche Sanktionen, die wirklich schmerzen.“

Daß Wole Soyinka auch selbst zu Opfern bereit ist, hat er immer wieder unter Beweis gestellt: Erstmals 1965 vor Gericht, weil er einen Wahlbetrug offengelegt hatte, wurde er 1967 wegen erneuter politischer Aktivitäten in eine zweijährige Isolationshaft genommen. Soyinka, der in London studiert und dort sein erstes Theaterstück inszeniert hatte, verließ wegen immer neuer Repressionen gegen ihn das Land noch zweimal, um in Ghana, Cambridge, Paris und New York Gastprofessuren wahrzunehmen.

Soyinka ist ein Politiker halb wider Willen; das poetische Werk des Theaterautors, Lyrikers und Romanciers ist auf Widerstandsreflexe nicht zu reduzieren. Die europäische Literaturkritik, deren westdeutsche Vertretung sich durch besonders selbstbewußte Ignoranz der „Dritte-Welt-Literatur“ auszeichnet, ist durch den hochkomplexen Autor Soyinka ihres eigenen Widerspruchs überführt, von den DichterInnen dieser Länder politisch engagierte, aber schlichte Literatur zu erwarten – und sie genau dafür zu verachten. Soyinka, der mit Ideologismen und Mythen aus europäischen und afrikanischen Traditionen spielt und vielsprachig schreibt, kommt heute (siehe Seite 3) dem Bedürfnis nach Klarheit und einfachen Worten durchaus entgegen: „Über die gegenwärtige Situation in Nigeria“, schreibt er, „darf keinerlei Zweideutigkeit bestehen bleiben: eine kleine, machthungrige Gruppe hat dem Volk den Krieg erklärt.“ ES

Wole Soyinka, der zu Sanktionen gegen Nigeria aufruft

Foto: Christian Schulz/

Paparazzi

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