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Wohnungswirtschaft in AufruhrHamburg will Mietpreise deckeln

Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) will den Mietwucherparagrafen zurück und bereitet eine Bundesratsinitiative vor.

Das Ziel sind nur noch 20 Prozent Aufschlag: unterschriftsreife Neuvermietung. Bild: dpa

HAMBURG taz | Mit einer Bundesratsinitiative will die Hamburger Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) gegen die explodierenden Preise auf dem Wohnungsmarkt vorgehen. Laut einem Gesetzesentwurf, der dem NDR vorliegt, sollen die Mieten bei Neuvermietung künftig höchstens um 20 Prozent über dem ortsüblichen Mietpreis liegen dürfen. Bei Verstoß droht den Vermietern ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Die Wohnungswirtschaft gibt sich empört, das ansonsten rosige Verhältnis sei nun getrübt. Die FDP spricht von „purem Populismus“.

Um Blankaus Vorstoß gegen den Mietwucher ist eine heftige Debatte entbrannt. Blankau lehnt sich wohnungspolitisch eher selten aus dem Fenster, „im Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ setzt sie auf den großen Schulterschluss mit Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, um das Senatsziel von 6.000 Wohnungen im Jahr zu erreichen.

Nun greift sie mit dem Gesetzesentwurf eine nicht gerade neue Forderung auf: Seit einem Jahr setzt sich das Bündnis „Mietenwahnsinn stoppen“ für die Einführung einer Mietobergrenze ein. Und auch die Grünen und die Linksfraktion sehen sich als Ideengeber für einen verbesserten Mieterschutz.

Immer teurer

Mit wachsender Bevölkerung steigen in Schleswig-Holsteins Städten auch die Immobilienpreise. Das zeigt der Immobilienmarktatlas, den die Landesbausparkasse (LBS) gestern vorgestellt hat.

Ein- und Zweifamilienhäuser: Seit 2009 stiegen die Preise in Ahrensburg um 23 Prozent, in Kiel-Suchsdorf um 20,0, in Pinneberg um 14,0, in Wedel um 12,6 und in Reinbek um 10,8 Prozent. Auf gut 38 Prozent kam der Kieler Problemstadtteil Gaarden, an dessen Rand neu gebaut wird. Nur ganz vereinzelt sanken die Preise.

Eigentumswohnungen: Kräftig gestiegen sind die Preise auch hier - in Lübeck-Travemünde um 16,8 Prozent auf 2.347 Euro je Quadratmeter, in Kiel-Düsternbrook um 38,1 Prozent auf 2.024 und in Heikendorf um 10,8 Prozent auf 1.891 Euro.

Wohnen wird in Hamburg zusehends teurer. Eckhard Pahlke, dem Vorstandsvorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, zufolge liegen die Mieten bei Neuvermietung vor allem im Altbaubereich derzeit bei bis zu 60 Prozent über dem dem Mietenspiegel.

Seitdem der Mietwucherparagraf vor fünf Jahren von der Bundesregierung gelockert und so zum zahnlosen Tiger wurde, können Vermieter von neuen Mietern exorbitante Preise verlangen, denn die derzeit geltenden Regulierungen gelten nur für Erhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen.

Peter Hitpaß vom Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) lehnt die Bundesratsinitiative vehement ab und sieht darin einen Eingriff in die freie Marktwirtschaft. Der Lobbyverband wird im nächsten und übernächsten Jahr jeweils einen Anteil von 1.900 neu gebauten Wohnungen zum Senatsziel beisteuern.

Die Wohnungswirtschaft hat also ein Druckmittel in der Hand. „Es gibt die Gefahr, dass wenn das Gesetz verabschiedet wird, weniger Investoren bauen werden“, sagt er. Wenn Vermieter bei Neuvermietungen nicht mehr selbst die Preise bestimmen konnen, sei das ein elementarer Eingriff in das Vertragsrecht.

Der DGB dagegen unterstützt die Pläne Blankaus. „Die Finanzmarktkrise hat die Flucht in die Immobilien angeheizt und treibt die Preise in schwindelerregende Höhen“, sagt Hamburgs DGB-Vorsitzende Uwe Grund. Werde der Mietpreiswucher nicht verhindert, würden die schmalen Einkommenssteigerungen vollständig von den steigenden Energiepreisen und den Mieten aufgefressen.

Voraussichtlich im ersten Quartal 2013 soll der Gesetzesentwurf zur Mietpreisdeckelung in den Bundesrat eingebracht werden. Es gibt allerdings auch Länder, in denen eine Mietpreisdeckelung gar nicht greifen würde: Bremen etwa hat gar keinen Mietenspiegel, auf den sich Vermieter bei Mieterhöhungen beziehen könnten.

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5 Kommentare

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  • K
    Karlo

    Wie zertrümmert das Bewusstsein teils schon zu sein scheint, lässt sich an dem hier ersten Kommentar von Jonas ablesen. Dieser setzt voraus, dass mit Wohnraum, im engen wie weiten Sinn ein Grundbedürfnis, positiv hohe Rendite erwirtschaftet werden ermöglicht sein soll. Im weiteren setzt der Text voraus dass, sollte dies nicht zutreffen, an weiteren Wohnungsbau nicht zu denken ist.

     

    Festzustellen ist, dass Grundbedürfnisse allen Menschen gleich zur Verfügung stehen müssen. Diese einfache Wahrheit findet sich selbst, mit gutem Grund aus Sicht ihrer Vertreter, in den (Grund-)Gesetzen dieses Landes. Wird ein Grundbedürfnis des Lebens, einer bestimmten oder unbestimmten ausreichend großen Gruppe in einer Gesellschaft entzogen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass eben diese Gruppe danach streben wird, diesen Zustand zu ändern. Insgesamt kann das einen gesellschaftlich relevant instabilen Zustand erzeugen, der auch dazu führen kann, dass das bestehende ansatzstabile System gestört, möglicherweise auch zerstört wird. Es macht also aus dieser Sicht Sinn dafür zu sorgen, dass das Grundbedürfnis Wohnraum in guter Qualität ausreichend egalitär und befriedigend allen offen steht.

     

    Zu dem Argument, sinngemäß etwa in der Bedeutung, wenn der Wohnungsbau nicht extreme Gewinne verspräche würde dieser nicht stattfinden.

    Dieser Satz ist insofern nicht vollständig falsch, als dass, sollte die Kapital-Verwertungsmöglichkeit des Baus von Wohnraum beschränkt werden, dieser eben nicht mehr allein aus dem genannten Interesse heraus geschaffen werden würde.

    Nicht zu vergessen dabei ist, dass Wohnungsbau vor der Öffnung des "Marktes" für Kapitalanleger durch die SPD, nach langer Vorarbeit seit den 1980er Jahren durch die CDU, bei Maximal-Renditen von 4%, sehr wohl in großem Maß stattgefunden hat. Nur war die Gewinnabsicht in den meisten Fällen eher darauf fixiert durch die Absetzungsmöglichkeiten Gewinne aus anderen Geschäften zu relativieren und Kapital langfristig zu sichern.

    Ausgewichen wurde, zur Erzielung von kurzfristig zu realisierenden Gewinnen auf den von den "Marktbeschränkungen" relativ befreiten Gewerberaum oder Bürobau. Ein Ergebnis lässt sich, mit 1,4 Millionen qm steuerlich gefördertem leerstehendem Büroraum, in Hamburg sehr deutlich beobachten.

     

    Die Situation ist nicht neu. Wohnungsnot wie sie derzeit die ganze Republik überzieht, gab es öfter. Wird sie nicht in kürzester Zeit effektiv beseitigt und es auch der größten Gruppe, allen Menschen, der Gesellschaft nicht wieder ermöglicht ausreichend guten Wohnraum, ohne große finanzielle oder gesundheitliche Belastung in zentralen Lagen, zu mieten wird sich die Geschichte wiederholen.

     

    Wenn die Regierungen dieses Landes, der Bundesländer, nicht dazu bereit sind die Lage radikal zu entspannen und Mietobergrenzen sowohl für Bestandsmieten als auch Neuvermietungen einzuführen, de facto Mietsenkungen, wird die Lage für sie radikal werden.

    Aus der Feststellung heraus sollte man die Frage beantworten, ob es sinnvoll ist, weiterhin wenigen hohe Gewinne aus der Ausnutzung einer Notlage, dem Entzug eines Grundrechts, zu ermöglichen.

  • J
    Jonas

    Was für ein Unsinn. Das mag in absolut homogenen Vierteln Sinn machen. Aber überall, wo verschiedene Zustände aufeinandertreffen ist das doch Blödsinn. Ja, in den Plattenbauten am Osdorfer Born mit denen die SPD der SED zeigen wollte, dass auch in Westdeutschland hässlich gebaut werden kann, ist die Miete günstig, entsprechend niedrig ist der "ortsübliche" Preis. In einem schönen und technisch aktuellem Neubau ist so ein niedriger Preis, der ja vor allem auch die Nachbarn, die es zu ertragen gilt, einkalkuliert, nicht angemessen. Aber dann nur 20% mehr nehmen zu dürfen als im Durchschnitt? Das führt doch nur dazu, dass in den elendigen SPD-Ghettos wie Osdorfer Born, Steilshoop etc nicht investiert wird, während in den schon hochpreisigen Vierten weiter investiert wird.

     

    Wie üblich: wenn man Stadtplanung auf großem Niveau versauen will, dann braucht man Sozialdemokraten.

  • F
    Fridolin

    Höchste Zeit, daß da etwas passiert. Zwar ist das Recht auf Eigentum im Grundgesetz festgelegt, aber sein Gebrauch soll 1. auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen und 2. gibt es den verfassungsmäßig festgelegten Schutz der Familie. Vor allem Alleinerziehende und getrennte Familien finden doch in der Hamburger Innenstadt nichts Akzeptables mehr. Um so schwieriger, wenn man schulpflichtige Kinder hat und sie im Sprengel behalten will. Eltern müssen die Miete ja auch noch erwirtschaften. Beide Elternteile müssen wegen des Sorgerechts je ein Kinderzimmer vorweisen! Kinder sind dann um so mehr das Armutsrisiko Nr. 1. Und ständiges Umziehen, nur weil die Miete unbezahlbar wird, tut ihnen auch nicht gut. Wenn die Eltern um so mehr wegen Überstunden abwesend sind, weil sie die Mieterhöhung einspielen müssen, tut das wieder ein übriges

    an Problemen, die sie ohne die Geldbeschaffungsmühle nicht hätten.

    Auf der anderen Seite ist klar, daß private Investoren sich eher zurückziehen werden, wenn die Mieten gedeckelt werden. Dagegen gab es früher mal ein gutes Mittel, das sich sozialer Wohnungsbau nannte. Doch die Kassen sind leer, Hamburg überschuldet. Eine Stadt (und das gilt nicht nur für Hamburg), die allein immense Summen nur an Schuldzinsen zahlen muß, ist nicht mehr souverän.

  • TL
    Tim Leuther

    Eine Senatorin schiebt eine Bürgerinitiative an? Wie Bescheuert ist das denn? Warum schreibt die nicht einfach ein Gesetz und bringt es vor die Bürgerschaft?

  • S
    Stefan

    „Es gibt die Gefahr, dass wenn das Gesetz verabschiedet wird, weniger Investoren bauen werden“

     

    Die ach so tollen Investoren haben sich doch vorher auch einen Dreck um Mieter geschert bzw. keinen bis kaum bezahlbaren Wohnraum geschaffen. Von daher braucht man solchen Aussagen doch keine Aufmerksamkeit zu schenken.