: Wohnungsunternehmen an Wuchergrenze
■ Nach der Einführung des Mietspiegels verlangen die Wohnungsbaugesellschaften in Mitte und Prenzlauer Berg bei Neuvermietungen Erhöhungen bis 70 Prozent. Der Grund: Bei Neuvermietungen wurde die Kappungsgrenze aufgehoben
Bei notwendigen Reparaturen sind sie kleinlaut, bei Mieterhöhungen dagegen die Größten. Seit der Einführung der Vergleichsmieten in Ostberlin zum Jahresbeginn gehen die Wohnungsbaugesellschaften in Mitte (WBM) und Prenzlauer Berg (WIP) nach ersten Erfahrungen bei Neuvermietungen bis an die Grenze zur Strafbarkeit. So verlangt die WBM für eine Plattenbauwohnung in der Rosenthaler Straße 18 Mark pro Quadratmeter warm. Für eine zu DDR-Zeiten rekonstruierte Altbauwohnung in der Gipsstraße werden 14 Mark plus Heizkosten verlangt. Für eine andere Wohnung (bisher 575 Mark) wurden 988 Mark verlangt – eine Steigerung um 72 Prozent.
Daß die Beispiele aus Mitte keine Ausnahmen sind, bestätigen nicht nur Mieterberater. Auch WBM-Geschäftsführer Karl- Heinz Schmidt hatte bereits vor geraumer Zeit angedeutet, daß man bei Neuvermietungen bis an die Grenze des Zulässigen gehen werde. Eine Praxis, die auch die WIP in Prenzlauer Berg teilt. „Bei Neuvermietungen wird konsequent angehoben“, räumte WIP- Sprecherin Kerstin-Maria Kunitz ein. Das gelte sowohl für sanierte und unsanierte Altbauwohnungen als auch für Plattenbauten. „Erst danach“, so Kunitz, „werden wir sehen, ob der Markt das hergibt.“ „Konsequent anheben“ heißt dabei, den im Mietspiegel-Ost festgestellten Wert der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ um 20 Prozent zu überschreiten. Diese Marge wird in der Rechtsprechung als „Wuchergrenze“ definiert. Wer mehr als 20 Prozent auf den Mietspiegelwert draufpackt, macht sich eines Vergehens gegen das Wirtschaftsstrafgesetz schuldig. Gegen die Neuvermietungspraxis der Wohnungsbaugesellschaften haben Mieterberater und Betroffenenvertretungen heftig protestiert. Damit würden nicht nur Mieten ins Astronomische getrieben, ohne daß in den Wohnungen ein entsprechender Gegenwert geliefert worden sei. Die drastischen Steigerungen würden im nächsten Mietspiegel auch als „ortsübliche Mieten“ geführt werden. Einer Preisspirale sei damit keine Grenze mehr gesetzt.
Galten in den neuen Bundesländern bis Ende des vergangenen Jahres noch die per Rechtsverordnung durch die Bundesregierung erlassenen Miethöhen, können die Vermieter seit Januar die Miete auf den zulässigen Mietspiegelwert erhöhen. Um allzu dramatische Sprünge zu vermeiden, darf die Miete innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren allerdings nur um 30 – und in besonderen Fällen nur um 20 – Prozent erhöht werden. Dies gilt jedoch nur für vermietete Wohnungen. Bei Neuvermietungen, die vor der Einführung des Vergleichsmietensystems auf 15 Prozent Erhöhung beschränkt waren, gibt es nun keine Einschränkung mehr. Es kann verlangt werden, was der Mietspiegel und der Markt hergeben.
Auf einer Mieterversammlung in der Elias-Gemeinde in Prenzlauer Berg forderten deshalb in der vergangenen Woche etwa 200 Mieter die Wohnungsbaugesellschaften auf, sich nicht an der Preistreiberei zu beteiligen. Doch nicht nur bei den Neuvermietungen sehen Betroffenenvertreter Probleme. Auch die zu DDR-Zeiten rekonstruierten, seitdem aber nicht mehr modernisierten Wohnungen weisen erhebliche Mietsprünge auf. Der Grund: Sie werden im Mietspiegel in einer Kategorie mit den luxussanierten Wohnungen der Nachwendezeit geführt. Die Forderung der Betroffenenvertretungen lautet deshalb: Keine Mieterhöhung für Wohnungen, deren Wohnwert in den vergangenen vier Jahren nicht gestiegen ist.
Wie wenig sich die Wohnungsbaugesellschaften um die Proteste der Mieter scheren, zeigte allerdings die genannte Mieterversammlung in Prenzlauer Berg. Einer Zusage folgte vor Beginn der Veranstaltung die Absage sämtliche Vertreter der Wohnungsbaugesellschaften. Uwe Rada
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