piwik no script img

WohnungstauschbörseUmziehen ist so neunziger

Die Wohnungstauschbörse der landeseigenen Vermieter hat bislang nur zu 28 Umzügen geführt. Angebot und Nachfrage passen nicht zueinander.

Wolfgang Thierse packt 1999 die Bundestagskisten Foto: dpa

Berlin taz | Seit September 2018 ist das Wohnungstauschportal der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mittlerweile online. Doch die Bilanz fällt bislang sehr verhalten aus. „Bis zum 26. Juni haben wir insgesamt 115 Tauschanmeldungen gehabt, von denen 60 abgeschlossen sind“, sagt David Eberhart, der Sprecher des Verbandes Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen BBU. Der BBU koordiniert das Tauschportal auf der Internetseite inberlinwohnen.de.

Noch ernüchternder fällt die Bilanz vor dem Hintergrund aus, dass es trotz der 60 abgeschlossenen Vorgänge am Ende nur 28 Umzüge gab. „Das kann verschiedene Gründe haben“, erklärt Eberhart. „Viele sagen den Tausch auf den letzten Metern noch ab, weil sie vielleicht doch an der alten Wohnung hängen.“

Von einem Flop der Tauschbörse könne dennoch keine Rede sein, schließlich seien im Portal bereits 2.800 Wohnungsangebote von insgesamt 3.800 Nutzerinnen und Nutzern eingespeist worden. „Das ist genau das, womit wir gerechnet haben“, so der BBU-Sprecher. Aber es ist eben auch nicht der Sprung nach oben, den sich viele erhofft hatten.

Bevor das Tauschportal freigeschaltet wurde, bei dem man im gesamten Bestand der landeseigenen Gesellschaften mit ihren mehr als 300.000 Wohnungen suchen kann, waren Tausche nur innerhalb der jeweiligen Gesellschaften möglich. Davon gab es 2013 122, im Jahr 2014 212, 2015 181 und 2017 91 Tausche.

Zu Konditionen des Vormieters

Dass die Zahl nun nicht nach oben geht, erstaunt auch deshalb, weil Tauschwillige, die zum Beispiel eine kleinere Wohnung suchen, erstmals in die Mietkonditionen des Tauschpartners einsteigen können – eine Regelung, gegen die sich die Wohnungsbaugesellschaften lange gewehrt hatten.

Wenig Interesse am Wohnungstausch hat auch Ingo Malter festgestellt. Auf seiner Jahrespressekonferenz gab der Geschäftsführer der Stadt und Land bekannt, dass seine Gesellschaft bislang lediglich an vier erfolgreichen Tauschfällen beteiligt gewesen sei. Als Grund nannte Malter eine Mieterbefragung der Stadt und Land vom Dezember 2018. Derzufolge wollen weitaus mehr Tauschwillige in eine größere Wohnung ziehen als sich verkleinern. „Angebot und Nachfrage“, so Malter, „scheinen sich nicht zu entsprechen.“ Bislang sei das Portal „kein Erfolgsmodell“.

„Vor allem die ältere Zielgruppe will offenbar nicht umziehen“, sagt BBU-Sprecher David Eberhart. Zwar könne man auch ohne Internetanschluss die Tauschbeauftragten der sechs Gesellschaften kontaktieren. „Aber oft hängen an einer Wohnung Erinnerungen, man lebt mit den Möbeln, und im Keller sind noch die Schulsachen der Kinder.“ Außerdem sei die Quadratmetermiete größerer Wohnungen wegen der meist längeren Mietvertragsdauer eher niedrig. Für einen Erfolg hält Eberhart das Portal trotzdem. „Es wird rege genutzt und technisch funktioniert die Seite auch.“

Auf dem sind Portal sind insgesamt 2.800 Wohnungsangebote von 3.800 Nutzern eingespeist

Auch in der Stadtentwicklungsverwaltung betont man die Nutzung des Portals. „Es ist erfreulich, dass es da so viele Wohnungsangebote gibt“, sagt Katrin Dietl, die Sprecherin von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke). „Es ist aber offenbar wahnsinnig schwierig, die richtigen Leute zueinander zu bringen.“

Das hat sicher auch mit der Wohnungsfluktuation zu tun, die in Berlin auf einem historischen Tiefststand ist. Lag der Anteil der Wohnungswechsel am Wohnungsbestand 2014 noch bei über zehn Prozent, so waren es berlinweit 1018 nur noch 5,65 Prozent. Bei der Stadt und Land mit ihren 47.000 Wohnungen ist die Fluktuation sogar auf nur noch 2,3 Prozent gesunken.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!