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Wohnungsneubau in BerlinBauen, bauen, weniger bauen

Der Senat verfehlt seine eigene Wohnungsneubauziele – mal wieder. Grüne wollen mehr Mietpreisbindungen bei Neubauten, Linke eine kommunale Bauhütte.

Die Betonkoalition ackert hart, es kommt aber wenig bei raus Foto: Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin taz | Bauen, bauen, bauen – so lautet bekanntlich das Mantra von CDU und SPD, um die Dauerkrise auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu bekämpfen – und linke Forderungen nach Mietpreisregulierungen und Enteignungen abzuwimmeln. Und doch scheitert Schwarz-Rot jedes Jahr aufs Neue an dem im Koalitionsvertrag selbst gesteckten Neubauziel von 20.000 neuen Wohnungen jährlich. So wurden 2024 laut einer Prognose, die Bausenator Christian Gaebler (SPD) mit der dpa geteilt hat, nur rund 15.000 Wohnungen errichtet. Das wäre der schlechteste Wert seit 2016.

Tatsächlich hat der Senat die Zielmarke von 20.000 jährlichen Neubauwohnungen noch nie erreicht. 2023 wurden laut Gaebler 16.000 Wohnungen errichtet, 2022 waren es 17.300. Trotz dieses Abwärtstrends sieht Gaebler die Entwicklung im Neubau sogar positiv. „In den vergangenen drei Jahren sind es zusammen fast 50.000 Wohnungen, also Wohnraum für 100.000 Menschen“, sagte er der dpa. Das finde er „schon ganz gut.“ Laut dem „Stadtentwicklungsplan Wohnen 2040“ des Senats braucht Berlin bis zum Jahr 2040 220.000 neue Wohnungen.

Präventiv dämpfte Gaebler auch gleich die Erwartungen für das kommende Jahr. „Nach dem, was ich aus der Bauwirtschaft höre, wird es noch keine sehr deutliche Erholung geben“, so der Senator. Als Begründung für die mangelnde Baubereitschaft führte Gaebler die anhaltende Baukrise an. Für die Bauwirtschaft seien die Zinssätze immer noch zu hoch, zudem könnten die vorgezogenen Bundestagswahlen Unsicherheiten in der Branche auslösen.

Keine Angaben zu Mietpreisbindungen

Auch sei nicht darauf zu hoffen, dass das kürzlich beschlossene „Schneller-bauen-Gesetz“ bereits 2025 „unmittelbar zu sehenden Auswirkungen“ haben werde, so Gaebler weiter. Das Gesetz soll die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben vereinfachen und die Zuständigkeiten auf der Landesebene zentralisieren. Es werde aber dauern, bis sich Baufirmen auf das neue Verfahren einstellen, so Gaebler. „Es wird sich noch bis 2026 hinziehen, bis man richtig merkt, es geht jetzt schneller“, glaubt er.

Um den enormen Wohnraumbedarf der Ber­li­ne­r:in­nen zu entlasten, muss dieser auch erschwinglich sein. Wie viele der neuen Wohnungen mietpreisgebunden sind, geht aus Gaeblers Zahlen allerdings nicht hervor. Die Senatsverwaltung war am Sonntag für eine Anfrage der taz nicht zu erreichen.

Jährlich fallen Tausende Wohnungen aus der Mietpreisbindung heraus, die bei staatlich geförderten Sozialwohnungen nur für 30 Jahre gilt – danach dürfen Ver­mie­te­r:in­nen die Wohnungen zu Marktpreisen anbieten. In den letzten Jahrzehnten ist der Bestand an Sozialwohnungen deshalb gravierend zusammengeschrumpft.

„Das Elend der Baufilzkoalition“

Für die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, ist es wichtig, aus dem erwartbaren Scheitern des Senats „die richtigen Lehren“ zu ziehen. „Das Hauptproblem ist doch, dass zu viele Neubauwohnungen entstehen, die sich die Breite der Gesellschaft nicht leisten kann“, so Schmidberger.

Sie plädiert dafür, nach dem Vorbild der Stadt München Private bei großen Bauprojekten zu verpflichten, 50 Prozent der Wohnungen preisgebunden anzubieten – in Berlin seien es meist nur 30 Prozent. Zudem müssten die landeseigenen Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden. Es mache „keinen Sinn“, wenn diese „freifinanzierte“ Wohnungen bauen, die dann für durchschnittlich 15 Euro pro Quadratmeter angeboten werden – mit Spitzenmieten von bis zu 20 Euro, so Schmidberger.

Katalin Gennburg, Schmidbergers Pendent bei den Linken, argumentierte gegenüber der taz für den Aufbau einer landeseigenen Bauhütte. So könnten die Kompetenzen für Forschung, Planung und Ausführung öffentlicher, sozialer und vor allem auch klimaschonender Bauprojekte gebündelt werden, glaubt Gennburg. Auf diesem Weg würden nicht internationale Baukonzerne und deren „irre Preispolitik“, sondern gemeinnützige Bauträger und kleine Handwerksbetriebe gefördert.

So solle die Wohnraumschaffung in der Hauptstadt ein Stück weit vom Markt abgekoppelt werden. SPD und CDU würden jedoch lieber „die Investoreninteressen von Baulöwen und Großkonzernen bedienen“, statt sich diesem Vorschlag anzunehmen. „Das zeigt das ganze Elend dieser Baufilzkoalition“, findet Gennburg.

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