Wohnungsbau in Deutschland: Abriss als Chance
Wie kann neuer Wohnraum geschaffen werden? Ein Bündnis der Bauwirtschaft fordert: Alte Häuser abreißen und neubauen statt sanieren.
Hinter dem Bündnis stehen die Spitzenverbänden der deutschen Bauwirtschaft, der privaten Immobilienunternehmen und die Gewerkschaft IG BAU. Sie berufen sich mit ihrer Forderung auf eine Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) und des Pestel-Instituts.
Laut der Studie wäre insbesondere der Ersatz von Wohnungen aus den 1960er und 1970er Jahren ein geeignetes Mittel, um den Wohnungsbestand schnell und nachhaltig an die Standards für Energieeffizienz heranzuführen und den rasant steigenden Bedarf an altersgerechten und barrierefreien Wohnungen zu decken. In diesem Segment werden bis zum Jahr 2030 zusätzlich rund 2,9 Millionen Wohnungen gebraucht.
Das Programm solle sich daher auf Gebäude „mit nicht veränderlichen negativen Merkmalen wie niedrigen Raumhöhen, ungünstigen Schnitten und zu kleinen Bädern fokussieren“, so Arge-Studienleiter Dietmar Walberg. Bei rund zehn Prozent des gesamten Wohnungsbestandes könne man zudem davon ausgehen, dass ein Neubau wesentlich kostengünstiger sei als eine umfassende energetische Modernisierung oder gar eine barrierefreie Ausgestaltung.
Wohin mit den Mietern nach dem Abriss?
Auch Martin Mathes, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der IG BAU, will entsprechende Projekte für die betroffenen Mieter sozial abfedern. Denkbar wären eine „gerechte Aufteilung der Kosten zwischen Mietern, Vermietern und dem Bund sowie eine Deckelung der Warmmieten nach dem Bezug der neu gebauten Wohnungen“.
Felix Klapetta, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Baugewerbes, nennt das Programm einen „wichtigen Baustein für die bedarfsgerechte Entwicklung des Wohnungsmarktes“. Man wolle „ein Ende der Diskriminierung des Abrisses gegenüber der Modernisierung“. Konkret soll das Baugesetz geändert werden, das den Bestandsschutz für Gebäude regelt.
Nebulös blieben die Antworten auf die Frage, wie man denn angesichts der Wohnungsknappheit in vielen Großstädten die Unterbringung der von Abriss betroffenen Mieter bewerkstelligen will. Günther verwies auf „ bewährte Instrumente des Mietermanagements“, wie sie schon jetzt bei der blockweisen Modernisierung eingesetzt würden. Er räumte allerdings ein, dass dies in Städten wie Berlin, wo schon jetzt Tausende von Flüchtlingen in Turnhallen und anderen Notunterkünften mehr campieren als wohnen und derzeit massenhaft Containersiedlungen gebaut werden müssen, „schwierig“ sei.
Wenig begeistert von der Initiative zeigt sich der Deutsche Mieterbund (DMB). „Abriss und Neubau bedeuteten in der Regel die Vernichtung vergleichsweise preiswerten Wohnraums“, sagte ein DMB-Sprecher der taz. Man könne sich allenfalls vorstellen, bereits leerstehende Gebäude, die aufgrund ihres Zustandes faktisch nicht bewohnbar und auch nicht mit vertretbarem Aufwand zu sanieren seien, durch Neubauten zu ersetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“