: Wohnungen zu Flugscharen
Siedlungsplanung am Flughafen wird neu geordnet: Senat will mehr Flugbewegungen auf Kosten von Wohnflächen ■ Von Heike Haarhoff
Der Hamburger Senat hebt ab zur großräumigen Flächenverschwendung. Rund um den innerstädtischen Flughafen in Fuhlsbüttel sollen 420 Hektar Boden – das entspricht etwa der Fläche von sieben mittelständischen Bauernhöfen – in Brachen verwandelt werden. 230 Hektar davon waren allerdings bisher explizit für den Wohnungsbau ausgewiesen.
Entwürfe für mindestens 500 im Hamburger Norden bereits geplante Wohnungen werden voraussichtlich im Papierkorb landen: Denn die „Siedlungsplanung im fluglärmbelasteten Bereich“ aus dem Jahr 1985 wird in diesem Herbst komplett neu geordnet. Wie, das beschreibt ein achtseitiger, behördeninterner Entwurf einer Drucksache für die Senatskommission für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr.
Die „Schutzzonen 1 und 2“, also Gebiete in Flughafennähe, in denen der Dauerschallpegel bestimmte Dezibel-Werte (75 bzw. 67 dB) übersteigt, sollen ausgedehnt werden. Doch die neue Festlegung der Baugrenzen erfolgt nicht etwa aus der – durchaus nachvollziehbaren – Erkenntnis, daß die Lärmbelastung das Wohnen in Flughafennähe unzumutbar macht. Es geht allein um Wirtschaftsinteressen: „Der technische Fortschritt hat ja dazu geführt, daß die modernen Flugzeuge inzwischen sehr viel leiser starten und landen als noch vor zehn Jahren“, referiert GAL-Wirtschaftsexperte Detlev Grube umweltbehördliche Fluglärmschutzberichte. Insofern sei der Grund, die Zonen von 1985 zu erweitern, anderswo zu suchen.
Und zu finden: Der Senat hat die kühne Absicht, die Zahl der Flugbewegungen bis 2010 gleich um die Hälfte zu erhöhen. Statt derzeit 149.000 Starts und Landungen jährlich soll es künftig 225.000 geben. Genau hier liegt der Knackpunkt: „Die Zunahme der Flugbewegungen“, wird in dem Papier erstmals offiziell zugegeben, was Bürgerinitiativen schon seit langem kritisieren, schlage sich „als zunehmende Belastung nieder, da die Erholungspausen zwischen den starken Störungen immer geringer werden“.
Daraus aber Konsequenzen zugunsten des Gesundheitsschutzes zu ziehen schließt der Entwurf kategorisch aus. Lieber sollen die Menschen weichen, als daß die Zahl der Flugbewegungen gesetzlich beschränkt würde: „Ein zu dichtes Heranrücken neuer Wohnbebauung an den Flughafen würde den für Hamburg wichtigen Wirtschaftsstandortfaktor einengen.“ „Die Akzeptanz und Leistungsfähigkeit“ des Airports jedoch dürfe „im Hinblick auf 12.000 Arbeitnehmer nicht gefährdet“ werden. Daher der Verzicht auf wertvolles Bauland.
Allen Appellen der „Ressourcenschonung“ von Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) zum Trotz verschwinden folgende Wohnbau-Grundstücke: Allein in Hamburg-Nord 130 Hektar (Langenhorn 45, Groß-Borstel 28, Alsterdorf 28, Fuhlsbüttel 30). Das entspricht knapp der Baufläche in Neugraben-Fischbek, auf der das umstrittene Groß-Siedlungs-Projekt für 10.000 Menschen vorgesehen ist. Ferner werden in den Bezirken Wandsbek (Poppenbüttel) 60 Hektar und in Eimsbüttel (Nien-dorf) 35 Hektar Wohnfläche vernichtet. Genutzt werden dürfen sollen sie künftig – wenn überhaupt – noch als Kleingärten, Gewerbe- oder Industrieflächen.
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