Wohnen und zahlen: Wohn-Heuschrecke wird gegrillt
Zu hohe Mieten, falsche Baumaßnahmen, Lärm - AnwohnerInnen konfrontierten Deutsche Annington mit ihrer Kritik
Das umstrittene Wohnungsunternehmen Deutsche Annington stellte sich Dienstagabend in einer öffentlichen Diskussion seinen Bremer MieterInnen. Diese kritisieren die Modernisierungsmaßnahmen und die damit verbundenen Mieterhöhungen. Eigentlich will der Branchenriese weg von seinem Image als „Heuschrecke“, die aus Wohnungen möglichst schnell möglichst viel Profit schlagen will. Doch die Vorwürfe der MieterInnen bestätigen das bisherige Bild.
Der Raum im Bürgerhaus Weserterrassen, in dem die Diskussion stattfand, war bis auf den letzten Stuhl voll, die MieterInnen wütend. Zur Aussprache geladen hatte der Beirat östliche Vorstadt. In jenem Stadtteil hatte das Wohnungsunternehmen viele Wohnungen gekauft und Modernisierungen begonnen. Dagegen regte sich Protest bei den BewohnerInnen. Der Beirat wollte den vielen Fragen der BürgerInnen nun ein Forum geben, erklärte die Leiterin Hellena Harttung.
Um 50 Prozent der bisherigen Kaltmiete steigert sich die Miete für manche Wohnungen. Das schürt Ängste bei den AnwohnerInnen. Laut Kornelia Ahlring vom Mieterverein Bremen zwinge dies viele Leute zum Auszug.
Ein Tipp der Deutschen Annington: Wohngeld beantragen. Um das zu erhalten, darf das Einkommen allerdings nicht zu hoch sein. Wer Hartz 4 bekommt, ist ebenfalls von dem Zuschuss ausgenommen. Jedoch sind Mieterhöhungen gerade für Sozialhilfe-EmpfängerInnen problematisch: „Beim Jobcenter wurde mir gesagt, dass sie die Miete jetzt nicht mehr mittragen“, erklärt eine Frau, „was nun?“
Alternativ könnten Betroffene auch einen Einwand wegen finanzieller Härte stellen, so die Annington. In dem Fall wird die Miete nicht erhöht. Allerdings sind die Bedingungen für den Nachlass streng und die Fristen kurz.
Die Mieterhöhungen versuchte das Wohnungsunternehmen durch Zahlen zu rechtfertigen. So würden nicht einmal acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieten umgelegt. Gesetzlich erlaubt sind tatsächlich bis zu elf Prozent. Und auch die Grundmieten liegen noch unter dem Durchschnitt der östlichen Vorstadt.
Wie die Mieten jedoch im Einzelnen berechnet werden, stieß auf Unverständnis. Eine Bewohnerin fragte sich, wieso sie bei gleicher Wohnungsgröße eine stärkere Mieterhöhung als ihre Nachbarn erwarte. Die Annington räumte ein: „BewohnerInnen, die niedrige Mieten zahlen, werden verhältnismäßig stärker belastet.“ Der Hinweis einer Anwohnerin, dass die Baukosten irgendwann abbezahlt seien und die Miete dann sinken müsste, blieb unkommentiert.
Auch die Baumaßnahmen an sich – beispielsweise den Austausch der Fenster – kritisierten die MieterInnen. „Die Annington vermischt Modernisierung und Instandhaltung“, lautet ihr Vorwurf. Und Instandhaltung, also die Reparatur maroder Anlagen, muss der Vermieter selbst zahlen – im Gegensatz zu Modernisierung.
Die Annington selbst bezeichnete die Baumaßnahmen größtenteils als „energetische Sanierung im Bereich Modernisierung“. Das trifft auf die Dämmung der Außenwände auch zu. Neue Heizungsanlagen gibt es aber nicht. „Wie soll dann die Energiebilanz verbessert werden?“, wundert sich eine Frau. Auch gegen den Schimmel i werde nichts getan. „Außen hui, innen pfui“ sei der Zustand. Ein Zwischenruf: „Die wollen uns erst rausdrängen, dann können die von innen sanieren!“
Beklagt wurde auch die Lärmbelastung durch die Bauarbeiten. Die Deutsche Annington sicherte zu, dass samstags nicht mehr an den Häusern zu arbeiten. .Der Beirat gab sich insgesamt machtlos. Gegen die Bundesgesetze zu Modernisierungsumlagen könne man nichts machen. „Wir haben leider keine Lösung“, sagte Harttung und rief die MieterInnen auf, sich zu vernetzen. Während der Diskussion ging bereits eine Kontaktliste herum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin