piwik no script img

Woher kommen die Berliner?Schwaben rein!

Angeblich ist ja halb Berlin aus Schwaben. Doch das stimmt gar nicht: Die meisten innerdeutschen Zuwanderer kommen aus Hamburg – und Sachsen.

Sie haben keine Hosen an, aber wo kommen sie her? Berliner in der U-Bahn. Foto: dpa

Man könnte diese Betrachtung mit Wolfgang Thierse anfangen und seinem Wunsch, am Kollwitzplatz endlich mal wieder Schrippen statt Weckle kaufen zu dürfen. Oder mit den Weihnachtsplakaten, auf denen vor ein paar Jahren stand: „Stuttgart-Sindelfingen: sechshundert Kilometer. Ostberlin wünscht gute Heimfahrt“. Aber das würde bedeuten, dem Klischee aufzusitzen, dass jeder zweite Berliner inzwischen aus Schwaben kommt. So wie jeder zweite Berliner, auch das ein Klischee, vor hundert Jahren angeblich aus Breslau und aus Schlesien stammte.

Der Berliner Morgenpost ist es nun gelungen, gründlich mit den Berliner Herkunftsmythen aufzuräumen. In einer als Karte aufbereiteten Statistik lässt sich anschauen, woher die Berlinerinnen und Berliner wirklich stammen. Innerdeutsch etwa aus Hamburg. Fast 21.000 Berliner sind an der Elbe geboren. Auf Platz zwei und drei stehen Leipzig und Dresden. Wenn also schon Klischee, müsste es heißen: Jeder zweite Berliner kommt aus Sachsen. Aus Dresden wohl samt und sonders Pegida-Flüchtlinge.

Aber viel interessanter als das Klischee sind die Schlussfolgerungen. Und die besagen, dass Berlin vor allem für den Osten Deutschlands ein Magnet ist. Aus Wittenberg und Merseburg, aus Cottbus und Neubrandenburg rücken die Neuberlinerinnen und Neuberliner in Bataillonsstärke an. Die Schwaben, Bayern und Niedersachsen dagegen bleiben auf Distanz. Mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung ist Berlin tatsächlich eine ostdeutsche Großstadt geworden.

Und – das wiederum ist nichts Neues – natürlich eine polnische. Aus Stettin und Breslau, aus Danzig und Posen sind ebenfalls mehrere tausend Neuberliner an die Spree gekommen. Berlin ist, dieses Klischee zumindest stimmt, eine der größten polnischen Städte außerhalb Polens. Nach dem Regierungswechsel in Warschau werden sicher noch ein paar mehr kommen.

Aber wir haben ja mit den Schwaben angefangen. Einmal landeten auf dem Denkmal von Käthe Kollwitz, die nun wirklich nichts dafür konnte, denn sie stammte aus Königsberg, eine Ladung Spätzle. Vielleicht müssen die Gastroethnologen demnächst umdenken. Warum nicht auch mal mit Dresdner Eierschecken oder Leipziger Lerchen um sich werfen?! Oder ordentlich Deutschkurse anbieten?!

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Berlin ist, dieses Klischee zumindest stimmt, eine der größten polnischen Städte außerhalb Polens."

     

    So ein Unsinn. Das ist nachwievor Chicago: https://en.wikipedia.org/wiki/Poles_in_Chicago