: Wörterbuch der Straße
■ Mike Newell zeigt in Donnie Brasco die Gefühle eines Spitzels
Warum soll man sich im Kino immer wieder organisierte Kriminalität durchbuchstabieren lassen? Hat nicht bereits Coppolas Pate-Trilogie ausführlich die mafiotische Oberschicht und Martin Scorsese in GoodFellas den dazugehörigen Mittelbau porträtiert? Doch mit Donnie Brasco hat Mike Newell tatsächlich einen weiteren Zugang zum Genre gefunden: Er kämmt die Mafia von der Straße durch.
Denn trotz seiner großen Klappe ist Lefty Ruggiero (Al Pacino) nur ein alternder „wiseguy“, ein kleiner Mafiakiller, der in billigen Pinten im New York der späten 70er Jahre seiner Aufträge harrt. Obwohl er für die mächtige Bonanno-Familie immerhin 26 ausgeführt hat, ist Lefty doch nie über den Rang eines einfachen Gefolgsmanns hinausgekommen und knackt noch gelegentlich Parkuhren.
Als er in seinem Stammlokal den abgebrühten Donnie Brasco (Johnny Depp) kennenlernt, hofft Lefty, daß sich das Blatt wenden könnte. Er führt seinen Zögling in die Familie und in die Regeln der Straße ein. Zunächst muß der Schnauzer ab, dann werden die Sprachcodes sowie die Hierarchien bei den Bonannos offengelegt. Dabei ahnt der kettenrauchende Fabulierer nicht, daß sein frischgebackener Ziehsohn Joe Pistone heißt und als Undercoveragent beim FBI in Lohn und Brot steht.
Auf der Basis eines authentischen Falls aus den 70er Jahren, der zu über 200 Anklagen und 100 Verurteilungen führte, erzählt Mike Newell (Vier Hochzeiten und ein Todesfall) die Beziehung des ungleichen Paars als Zerreißprobe zwischen Pflicht und Freundschaft. Denn der Auftragskiller – und dazu trägt Al Pacinos linkisches Spiel bei – wird immer sympathischer. Zwar raucht Lefty Kette, dampfplaudert reichlich Unsinn und verkohlt als Familienvater mit Kochschürze das Hähnchen. Doch das alles macht er liebenswert.
Unter dem erzwungenen Schweigen der Undercovertätigkeit leidet allerdings das Duell zweier Stars. Ausgerechnet zwei so emotionale Schauspieler wie Al Pacino und Johnny Depp, der manchmal wie ersterer in seiner Paraderolle als Serpico aussieht, dürfen nicht aus der Haut fahren. So entstehen gerade aus dem, was alles nicht gesagt wird, ein paar kurze Momente verqualmter Spannung. Meistens wird aber die Versuchsanordnung selbst zu einem Hemmschuh, den Donnie Brasco nur selten abzustreifen vermag. Volker Marquardt
Aladin, City, Gloria, Hansa, Passage, Ufa, Zeise
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