Wirtschaftskrise in Türkei: Mit dem Rücken zur Wand

Der Türkei droht der Staatsbankrott. Präsident Erdoğan steht unter Druck – und schaltet mal wieder auf Angriff.

Verhaftung einer Gewerkschafterin am 1. Mai in Istanbul Foto: Emrah Gurel/ap

Wer meint, eine Krise wie die Corona-Epidemie müsste dazu führen, dass eine Gesellschaft zusammenarbeitet und ihre Spaltung überwindet, sieht sich derzeit in der Türkei mit dem kompletten Gegenteil konfrontiert. Nie war der Ton schärfer, wurde der Hass auf die Opposition so explizit formuliert wie derzeit. Präsident Erdoğan redet in einer Ansprache an die Nation darüber, dass der Geist der Opposition jetzt endgültig ausgerottet werden muss, und in einem kleinen TV-Sender eines regierungsnahen Medienkonzerns wird ganz offen darüber gesprochen, wie mit dem politischen Gegner gewaltsam abgerechnet werden soll und der eigene Präsident mit allen Mitteln an der Macht gehalten werden muss.

Und das alles, weil eine bekannte Oppositionspolitikerin in einem Nebensatz gesagt hatte, die Regierung sei am Ende und werde so oder so verschwinden. Dankbar bläst die Regierung diesen Satz zu der Behauptung auf, die Opposition bereite einen neuen Putsch vor und man müsse sich dagegen wappnen. Dabei kommt die Gefahr von ganz anderer Seite. Das Coronavirus, gegen dessen Bedrohung der Gesundheit der BürgerInnen man sich bis jetzt noch einigermaßen behauptet hat, hat die sowieso schon angeschlagene Volkswirtschaft der Türkei fast völlig zum Absturz gebracht. Präsident Erdoğan steht mit dem Rücken zur Wand. Das Land kann voraussichtlich in diesem Jahr seine Schulden nicht mehr bedienen und steuert, wenn nicht noch Hilfe von außen kommt, faktisch auf einen Staatsbankrott zu.

Damit wäre die AKP nach 19 Jahren an der Regierung tatsächlich am Ende. Aber Erdoğan hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er, wenn er seine Macht bedroht sieht, immer in den Angriffsmodus schaltet. So auch jetzt. Die Opposition, dunkle Mächte von außen und am besten beide zusammen bedrohen die Türkei und müssen vernichtet werden.

Vernichtet werden am Ende der letzte Rest an Demokratie und der bescheidene Wohlstand, den sich viele TürkInnen in den letzten Jahren hart erarbeitet haben.

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