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Wirtschaftshub „House of Games“Zocken fürs Bruttosozialprodukt

Der Senat internationale Schwergewichte der boomenden Spielebranche nach Berlin locken. Die Indie-Szene ist erfreut und hofft auf bezahlbare Mieten.

Das „Lux“ an der Spree soll bald Zentrum der Spielebranche werden Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin taz | Noch ist dem künftigen „House of Games“ nicht anzusehen, dass es bald der Mittelpunkt von Berlins aufstrebender Computerspiele-Industrie werden soll. Die Büros sind im Rohbau, Elektronik und Kabel hängen von der Decke. Roland Sillmann, Geschäftsführer der landeseigenen Wista Management GmbH, führt durch das Gebäude. In die erste Etage ziehen die Indie-Entwickler, in die oberen die großen Spieleunternehmen, erklärt er. Im Erdgeschoss entstehe ein Community-Space, den alle nutzen. „Das Ziel ist es, möglichst viel Austausch zu ermöglichen.“

Mit dem House of Games hofft der Senat Berlin als führenden Standort in der Computerspiele-Branche zu etablieren. Das Projekt soll etablierte Studios, Branchenverbände, Start-ups und unabhängige Entwicklerstudios an einem Ort bündeln.

Am Dienstag gaben der Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) offiziell den Standort für das Projekt bekannt. Die Wahl fiel auf das „Lux“ in Friedrichshain, einen historischen Gebäudekomplex an der Warschauer Straße, der früher eine Glühbirnenfabrik beherbergte.

Hoffnungen geweckt

Das Projekt stößt auf großes Interesse in der Branche. Rund 250 Ent­wick­le­r:in­nen und andere Bran­chen­ver­tre­te­r:in­nen sind am Dienstagvormittag in den Innenhof der Immobilie zum Festakt anlässlich der Standortbekanntgabe gekommen.

„Berlin wird mit dem House of Games zur ersten Adresse für die Branche in Deutschland“, frohlockt Wirtschaftssenatorin Giffey auf der Bühne. Man befinde sich in Konkurrenz mit anderen Städten und wolle nicht zurückbleiben. So gebe es bereits in Düsseldorf ein ähnliches Projekt. Allerdings werde das House of Games mit einer Fläche von bis zu 15.000 Quadratmetern Gewerbefläche mit Abstand das größte Projekt seiner Art in Europa.

Die Gaming-Industrie gilt als eine der Wachstumsbranchen der Hauptstadt. Laut einer Studie des Verbands Medianet erwirtschaftete die Branche 2023 fast eine halbe Milliarde Euro Umsatz. „Berlin hat eines der lebhaftesten Ökosysteme Deutschlands, wenn nicht Europa“, sagt Spieleentwickler Daniel Helbig, der auch zum Festakt gekommen ist. Zusammen mit seinem Geschäftspartner betreibt Helbig das kleine Independent Studio Megagon Industries.

Vor allem für Indie-Entwickler wie Helbig ist die Hauptstadt derzeit ein Eldorado. Medianet zählt über 300 Firmen, die in der Branche tätig sind. Doch es sind vor allem die umsatzstarken Blockbuster-Titel, die letztendlich Geld in die Steuerkassen spülen. Nur: Spiele eines Kalibers wie das Openworld Gangster-Epos GTA 6 oder der Fussballklassiker Fifa werden derzeit kaum in Deutschland entwickelt.

Senat macht Millionen locker

Die Branche hofft daher, das Projekt könne dazu beitragen, in Zukunft auch größere Produktionen nach Deutschland zu holen. „Unser Ökosystem in Deutschland ist noch nicht da, wo es hinmuss“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Games-Branche. Das House of Games biete eine Strahlkraft, die „weit über Berlin hinausgehe“.

Insgesamt 4,5 Millionen Euro investiert das Land Berlin in das Vorhaben. Ein Großteil der Mittel fließt an die Wista GmbH. Das landeseigene Unternehmen mietet die Immobilie an, führt die nötigen Ausbauarbeiten durch und vermietet sie an die Entwicklerstudios weiter.

Mit der Bekanntgabe des Standorts konnte die Wirtschaftssenatorin auch schon erste Mieter vorweisen: Unter anderem soll der französische Publisher un Entwickler Ubisoft, bekannt für Titel wie „Assassin’s Creed“ und Far Cry, in den Gebäudekomplex einziehen. Mit etwa 20 weiteren Interessenten befinde sich die Wista aktuell in Verhandlung, so Giffey. Anfang 2026 sollen die ersten Mie­te­r:in­nen einziehen.

Auf Spieleentwickler Daniel Helbig macht das House of Games einen guten Eindruck. „Die Location ist mega“, er könne sich gut vorstellen, in Zukunft hier zu arbeiten. Derzeit sei seine Firma noch in ­einem Co-Working-Space in Lichtenberg ansässig. Entscheidend sei allerdings, wie hoch am Ende die Mieten werden seien. „Das versuche ich schon seit einer Stunde herauszufinden“, sagt Helbig.

Viele Fragen ungeklärt

Tatsächlich sind noch viele Fragen offen – und vor allem die Miethöhe wird entscheiden, wie hoch der Mehrwert des Projekts für die finanzschwachen Indie-Entwickler ist. „Die Lage ist nicht gerade prädestiniert für geringe Mieten“, befürchtet Stefan Ziller, digitalpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Ab­geordnetenhaus.

Es sei wichtig, dass die Finanzierung des Projekts langfristig steht. „Wir verhandeln gerade wieder den Haushalt, es wird sich zeigen, wie belastbar die Zusagen sind“, gibt der Grüne zu bedenken. Es sei nicht auszuschließen, dass das Projekt in letzter Minute wieder zusammengekürzt wird.

Unklar ist auch, ob das Computerspiele-Museum, das derzeit an der Weberwiese ansässig ist, einziehen wird. Der Standort wäre ideal, jedoch ist unklar, ob das private Museum, da keine staatlichen Fördermittel erhält, den neuen Standort auch leisten kann. Auch hier laufen die Verhandlungen noch.

Spieleentwickler Benjamin Scharff hofft, dass die Mieten am Ende nicht ganz so teuer sein werden. „Für kleinere Studios ist es schwer, etwas Bezahlbares innerhalb des Rings zu finden.“

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1 Kommentar

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  • Als ich zum ersten Mal von dieser Nachricht hörte, machte ich schon den Witz, dass sie womöglich an Ubisoft vermieten, weil sie keine Ahnung von den Misserfolgen der letzten Zeit haben und was lese ich hier? Hoffen wir mal für unser House of Games, dass Ubisoft die Kurve kriegt statt pleite zu gehen oder ein Käufer neuen Wind hineinbringt.

    "Nur: Spiele eines Kalibers wie das Openworld Gangster-Epos GTA 6 oder der Fussballklassiker Fifa werden derzeit kaum in Deutschland entwickelt."

    Ja, deutsche Game Studios haben es nicht geschafft zu Rockstar Games oder EA Sports aufzuschließen. Eher im Gegenteil. Piranha Bytes scheiterte trotz des damaligen Erfolgs von Gothic und vor ein paar Jahren übernahm sich Daedalic Entertainment mit seinem Versuch mit Gollum in die Liga der ganz Großen aufzusteigen, wurde zur internationalen Lachnummer und stieg aus der Spieleentwicklung aus. In unseren Nachbarländern hatten sie da deutlich mehr Erfolg wie dieses Jahr Sandfall Interactive in Montpellier, die gute Aussichten auf den Game of the Year Award 2025 haben. Das House of Games sollte versuchen für solche Indie-Entwickler interessant zu sein statt für wankende ehemalige Branchen-Giganten.