Wirtschaft im Ukraine-Krieg: Leere Regale sind nur ein Symptom
Wirtschaftlicher Mangel im Krieg weist häufig auf starke Kämpfe in einer Region hin. So ist es auch bei der Salzmine Artemsol in der Ostukraine.
I m Krieg erfährt man die Neuigkeiten nicht in den Nachrichten. Ich war nach einer kurzen Reise auf dem Rückweg nach Kiew. Im Zugabteil hörte ich, wie eine Studentin zu einem jungen Mann sagte: „Opa hat mich gebeten, Salz mitzubringen. In Kiew gibt es keins.“
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In Kriegszeiten passiert nichts einfach so: Artemsol, ein staatliches Unternehmen für Salzgewinnung und -vertrieb im Bezirk Donezk, hat seine Arbeit eingestellt.
Aus den Regalen der Läden ist das Salz verschwunden. Das war im Mai. Aber „verschwunden“ heißt nicht, dass es gar keins mehr gab. Es gab und gibt Rosensalz, Meersalz, Jodsalz. Ein aktueller Salzmangel in Kiew wäre auch nicht tödlich. Aber wenn ein heimisches Produkt irgendwo fehlt, bedeutet das, dass in einer ukrainischen Region der Krieg gerade besonders stark tobt – und die Menschen dort gerade besonders leiden.
Das Unternehmen Artemsol liegt in der Stadt Soledar. Ganz in der Nähe der Stadt verläuft die Bahnstrecke Bachmut-Lyssytschansk. Sie liegt unter Dauerbeschuss. Und nachdem die ukrainischen Streitkräfte aus Lyssytschansk abziehen mussten, rückte die Front noch näher an Soledar heran. Das Unternehmen stellte seine Arbeit schon im April ein, als es unmöglich wurde, das Salz per Bahn zu transportieren. Mitte Juni gab Artemsol dann bekannt, die Arbeit während des Krieges ganz einzustellen. Trotzdem hat sich die Salzsituation in den Supermärkten verbessert. Denn offenbar hat das Unternehmen es geschafft, bereits abgepacktes Salz aus den Lagern auszuliefern. Die Ware war eigentlich für den Export bestimmt, Artemsol verkauft seine Produkte europaweit.
35 Jahre, Journalistin und Dokumentarfilmerin . Hatte Kyjiw vorübergehend Richtung Westukraine verlassen, lebt aktuell wieder in der ukrainischen Hauptstadt
Das Zentrum für die Bekämpfung von Desinformation, eine Einrichtung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, hat erst kürzlich zu Fake News zum Thema Ernährung Stellung bezogen. Zu kolportierten Meldungen, wie einer möglichen Hungersnot in der Ukraine, erklärte die Behörde: Es sei der Ukraine gelungen, neue Logistikkanäle zu schaffen. Außerdem seien 68 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche für die kommende Saison bereits bestellt.
Die Ukraine schlägt sich gut. In erster Linie dank der ukrainischen Soldaten, die das Land an der Front verteidigen.
Lebensmittel? Ja, ganz offensichtlich gibt es dieses Jahr nicht so viele Wassermelonen. Aber sehr viel wichtiger ist der Grund dafür: Der Bezirk Cherson, der an die Krim angrenzt, ist die Melonenregion des Landes – die Gegend ist aber russisch besetzt. Zu Beginn des russischen Großangriffs gingen in der Region Menschen mit ukrainischen Flaggen zu Demonstrationen. Gegen Panzer. Menschen verschwinden. Die Menschen in Cherson sind entschieden wichtiger als Wassermelonen. So wie auch die Menschen der Stadt Soledar wichtiger sind als Salz.
Import – Export – Lieferungen – wir werden uns um all das kümmern. Aber jetzt müssen wir erst mal die Menschen retten.
Im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine kann es auch in anderen Ländern zu Defiziten und anderen Unannehmlichkeiten kommen. Wie soll man darauf reagieren? Indem man sich daran erinnert, dass die Ukraine in erster Linie die Menschen sind, die dort leben. Und dort für ihre Zukunft kämpfen.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
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