piwik no script img

■ Wird Jordanien zwischen Israel und den Palästinensern zerrieben?Die unberechenbaren Untertanen

Das monumentale Staatsbegräbnis des jordanischen Königs Hussein war standesgemäß für einen Herrscher, der fast ein halbes Jahrhundert nicht nur die Geschicke seines Landes gelenkt, sondern auch maßgeblich in der regionalen Politik des Nahen Ostens mitgemischt hat. Kein Wunder also, daß sich die Trauer bei den meisten Jordaniern mit einer gehörigen Portion Stolz vermengt hatte. Doch demnächst werden sie aus 40 Tagen Trauer erwachen. Das Historische des Moments wird einer Tagesordnung weichen, mit der man ungern tauschen möchte. Die Herausforderungen an den neuen König und politischen Grünschnabel Abdallah sind immens.

Ein im Zentrum Ammans errichtetes Denkmal zeigt eine überdimensionale Korn-Ähre. Errichtet zu Ehren des verstorbenen Königs Hussein, soll es die Fruchtbarkeit seiner Politik symbolisieren. Im Volksmund wurde die Beton-Ähre allerdings als „Monument der Brotunruhen“ betitelt, die im Sommer vor zwei Jahren das Land erschüttert hatten. Sie sind jederzeit wieder möglich, denn der Lebensstandard der Jordanier ist in den letzten Jahren um die Hälfte gesunken. Ein Viertel der erwerbsfähigen Bevölkerung ist arbeitslos. Das Pro-Kopf-Einkommen gleicht dem eines Drittweltlandes. Aussichten auf Besserung gibt es nicht. Rohstoffe sind kaum vorhanden. Und der wichtigste Markt Jordaniens, der Irak, ist dank UN- Sanktionen verloren, und die Dividende für den 1994 unterzeichneten Friedensvertrag mit Israel wird auch in absehbarer Zukunft nicht ausgezahlt werden.

Nun ist König Hussein, die Klammer, die das alles noch so halbwegs zusammengehalten hat, nicht mehr da. Wie wird König Abdallah mit dem sozialen Unmut fertig werden? Oder wie mit der Tatsache, daß die Mehrheit seiner Bevölkerung zwar keine Sympathie für den benachbarten Diktator Saddam Hussein empfindet, aber genug Ärger über die Leiden der ihnen nahestehenden irakischen Bevölkerung. Man stelle sich nur einmal folgendes Szenario vor: Die nicht gerade für ihr politisches Fingerspitzengefühl in der arabischen Welt bekannten USA entscheiden sich erneut, den Irak zu bombardieren. In Jordanien kommt es zu proirakischen Demonstrationen, die auch von Abdallah fordern, Flagge gegen seine westlichen Verbündeten zu zeigen. König Hussein war ein Meister des dafür nötigen politischen Eiertanzes. Ist es sein Sohn auch?

Wäre Saddam Hussein ein guter Taktiker, dann würde er jetzt die USA provozieren. Wenn er die UN- Waffeninspektoren nicht schon rausgeschmissen hätte, dann wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt. Washington steckt in der Klemme. Jede US-Aktion gegen den Irak bedeutet Instabilität beim jordanischen Verbündeten.

Und der andere jordanische Nachbar, Israel? Die meisten Jordanier sind inzwischen enttäuscht und desillusioniert über das Friedensabkommen mit dem jüdischen Staat. Gefragt worden sind sie ohnehin nie. Im Mai wird in Israel gewählt werden. Die Zeichen stehen auf eine erneute Wiederwahl der Hardliner unter Benjamin Netanjahu. Eine Situation, in der selbst König Hussein Schwierigkeiten gehabt hätte, seiner zu 60 Prozent aus Palästinensern bestehenden Bevölkerung den Sinn und Zweck von freundschaftlichen Beziehungen mit Israel zu vermitteln.

Das Verhältnis zu Israel könnte in Zukunft zur Nagelprobe zwischen dem haschemitischen Königshaus und seinem Volk, besonders dem palästinensischen Teil, werden. Da dürfte Abdallah auch nicht die vielzitierte Tatsache helfen, daß seine Königin Rania palästinensischer Herkunft ist, frei nach dem österreichischen Monarchieprinzip: „Laß andere Kriege führen, du glückliches Jordanien, heirate.“ Auch die jordanischen Untertanen lesen inzwischen mehr als die Klatschpresse zum haschemitischen Königshaus. Karim Al-Gawhary

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen