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„Wir wollen ein Krankenhaus für alle Rassen“

Schwarze Patienten protestieren in Südafrika gegen die Apartheid in Krankenhäusern / Angemessene medizinische Versorgung für alle Kranken gefordert / Bislang werden Schwarze nicht bis zur vollständigen Gesundung behandelt  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

„In unseren Krankenhäusern ist kein Platz mehr, da liegen die Patienten auf dem Boden. Deshalb sind wir heute hier.“ Sipho Makabela (23) kommt aus Soweto. Er humpelt schwer mit einem Bein, das nach einem Bruch falsch angewachsen ist. Heute kommt er ins eigentlich für Weiße reservierte Johannesburger Krankenhaus, um zu sehen, ob die Ärzte ihm hier weiterhelfen können. Er ist einer von etwa 80 schwarzen Patienten, die sich zu Beginn einer Kampagne des zivilen Ungehorsams am Mittwoch zur Behandlung gemeldet haben.

Im ganzen Land sind schwarze Patienten und Patientinnen dem Aufruf der südafrikanischen Opposition zum Protest gegen Rassentrennung in Krankenhäusern gefolgt. In der Hafenstadt Durban am Indischen Ozean sind mehr als 800 Kranke aufgetaucht, in Pretoria mehrere Dutzend, in Kapstadt etwa 100. Überall werden sie von der Polizei überwacht, doch zu Auseinandersetzungen ist es bislang nicht gekommen. Allerdings wurden zwölf Frauen von der Menschenrechtsgruppe „Black Sash“ nach einer Plakatdemonstration am frühen Morgen in Johannesburg verhaftet.

Die Reaktion der Gesundheitsbehörden überrascht: Überall werden die Patienten nicht etwa zurückgewiesen, sondern aufgenommen. In Johannesburg bekommen Kameraleute sogar offiziell die Erlaubnis, im Krankenhaus zu filmen und zu fotografieren. Dennoch geht es etwas chaotisch zu, denn um jeden Patienten drängen sich ein Dutzend Journalisten. Dr. Reg Brukmann, Direktor des Johannesburger Spitals, steht im Gedränge der Journalisten und Patienten. Er betont, daß elf Prozent der Patienten hier ohnehin Schwarze sind. Sie werden in Sonderabteilungen wie Herzchirurgie behandelt, die es an „schwarzen“ Krankenhäusern nicht gibt. Zudem würden alle Menschen zumindest vorläufig behandelt. „Es war schon immer die Regel der Behörden, in diesen Krankenhäusern alle Patienten ungeachtet ihrer Hautfarbe aufzunehmen“, sagt er. „Diejenigen, die sich in kritischem Zustand befinden, werden erst stabilisiert und dann an ein anderes Krankenhaus verlegt. Bei anderen wird eine Diagnose vorgenommen, und sie werden sofort weiterverwiesen.“

„Das ist genau der Punkt“, meint Dr. Aslam Darsoo von der oppositionellen Medizinergruppe SAHWCO. „Wir bestehen darauf, daß Patienten bis zu ihrer Genesung hier weiterbehandelt werden. Nur dann ist dies wirklich ein Krankenhaus, das für alle Rassen offen ist.“ Darsoo zufolge wird SAHWCO genau beobachten, was mit den heute angenommenen Patienten passiert. Sollten sie in aller Stille doch in „schwarze“ Krankenhäuser verlegt werden, werde es zu scharfen Protesten kommen. Darsoo erklärt die Widersprüche der derzeitigen Situation an seiner eigenen Person. Als Inder darf er zwar im Johannesburger Krankenhaus arbeiten. Doch seine Familie darf er hier nicht behandeln. Dasselbe gilt für die schwarzen Krankenschwestern, die hier arbeiten. Mehr als 50 Prozent des Pflegepersonals ist schwarz, aber in den Wohnheimen für Schwestern dürfen sie nicht wohnen, ihre Kinder hier nicht zur Behandlung bringen.

Tloko Dlamini hat eine Wohnung in der Johannesburger Innenstadt. Hier sind in den vergangenen Jahren trotz Rassentrennung in Wohngebieten viele Schwarze eingezogen. Doch die Wohnbedingungen sind oft besonders schlecht. „Wir haben Anfang Juli protestiert, daß es in unseren Wohnungen kein heißes Wasser gibt, daß der Aufzug nicht funktioniert und oft der Strom ausfällt“, erzählt sie. „Aber der Vermieter hat nicht mit uns reden wollen. Er hat einfach die Polizei gerufen. Da bin ich verhaftet worden.“ Wegen einer Verletzung, die sie im Laufe der Verhaftung erhielt, ist sie heute hier.

Im Hillbrow-Krankenhaus, das für Schwarze reserviert ist, ist sie schon gewesen. „Da wartet man den ganzen Tag, ohne daß man behandelt wird“, sagt sie. Das Johannesburger Krankenhaus hat indessen selten einen so großen Andrang erlebt wie heute. Die anderen, weißen Patienten sind darüber nicht erfreut.

Staatliche, für Weiße reservierte Krankenhäuser sind in Südafrika nur für Patienten zugänglich, die keine Krankenversicherung haben oder besonders schlecht verdienen. Das sind vor allem die armen Weißen, die meist die ultrarechte Konservative Partei und ihre Politik der strikten Rassentrennung unterstützen. Die Handvoll weiße Patienten, die heute auf Behandlung warten, sitzen alle zusammen in einer Ecke und verfluchen die Journalisten.

Professor Clive Rosendorff, Leiter der medizinischen Fakultät an der Johannesburger Witwatersrand-Universität, ist über die heutige Entwicklung andererseits erfreut. „Wir haben in der Vergangenheit einige Schwierigkeiten gehabt, weil dies zwar eine Universitätsklinik ist, aber von der Regierung verwaltet wird“, sagt er. „Wir wollten Rassentrennung vollkommen abschaffen.“ Jetzt sei das absehbar. „Man hat uns versichert, daß alle heute angenommenen schwarzen Patienten bis zu ihrer Genesung hier behandelt werden“, sagt er. „Das bedeutet, daß dieses Krankenhaus nun wirklich allen Rassen offen steht.“

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