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heute in hamburg„Wir leben über die Verhältnisse der Anderen“

Foto: privat

Stephan Lessenich, 53, ist Soziologe, Herausgeber und Buchautor, lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Interview Philipp Effenberger

taz: Herr Lessenich, leben wir über unsere Verhältnisse?

Stephan Lessenich: Wir leben nicht nur über unsere Verhältnisse, sondern über die Verhältnisse der Anderen. Wir können nur so leben, weil anderswo deutlich schlechtere Lebensbedingungen herrschen und beides in einem engen Zusammenhang steht.

Welche Auswirkungen hat unserer Lebensweise in den Ländern des globalen Südens?

Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Ökologische Verwüstung, übelste Arbeitsbedingungen und Behinderung des Aufbaus eigenständiger Wirtschaftsstrukturen durch Abhängigkeiten vom Weltmarkt, der wiederum von den westlichen Industrienationen dominiert wird.

Wird sich unsere Lebensweise ändern, wenn die Auswirkungen spürbarer werden?

Bislang war es gut möglich, die weltweiten Konsequenzen auszublenden. Doch Mi­gration und Klimawandel zeigen, dass die Auswirkungen wie ein Bumerang zurückkommen. Die Konfrontation mit diesen physischen Folgen könnte am ehesten zu einem Verhaltenswandel beitragen.

Kann Globalisierung ohne Ausbeutung funktionieren?

Solange große Unternehmen ihre Profite auf dem Weltmarkt erzielen können und müssen, geht globalisierter Handel mit Ausbeutung einher. Die Globalisierung lässt sich nicht zurückdrehen. Notwendige Bedingung für einen Wandel wäre die regionale Gestaltung von Produktions- und Handelsprozessen.

Vortrag und Diskussion: „Neben uns die Sintflut“, im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung „Imperiale Lebensweise“, 19 Uhr, Werkstatt W3, Nernstweg 32–34

Wie sollte westliche Politik handeln?

Der Welthandel und das Klimaregime müssten umgestaltet werden. Dies setzt allerdings einen politischen Willen voraus, der nicht von einer Politik kommen wird, die eng verstrickt mit den Interessen der Wirtschaft ist. Der Veränderungsantrieb muss von außerhalb der Politik kommen, also von der Zivilgesellschaft, von BürgerInnen, die nicht auf Kosten der Anderen arbeiten und konsumieren wollen.

Wie können Menschen beziehungsweise Konsumenten konkret handeln?

Man darf Menschen nicht nur als Konsumenten sehen, die sich über Konsumfragen definieren – was immer auch eine Frage des Einkommens ist. Die Leute sind politische BürgerInnen, die den Kern der globalen Produktionsprozesse verändern müssen.

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