: Wir helfen, wo wir können
Wenn das WLAN streikt, aber der Nachbar unausstehlich ist. Oder zwei den Kontakt verloren haben. Szenen unseres Helpdesks zur Seitenwende
Von Vincent Bruckmann-Levinson
Das Tablet ist schwarz, das Tablet ist schwarz!“, ruft die Leserin am anderen Ende der Leitung. Sie könne die neuen Ausgaben nicht mehr herunterladen und sehe gerade schwarz. Die letzte Ausgabe sei vom Juni, da habe man ihr das Gerät bei einer taz-Veranstaltung eingerichtet. Einige Minuten später haben wir gemeinsam herausgefunden, woran es liegt: Ihr Tablet ist nicht mit dem WLAN verbunden.
Doch wie sie es mit dem WLAN verbinde, wisse sie leider nicht. Ich frage, ob sie möglicherweise einen netten Nachbarn hätte, der helfen könne. Nein, sagt sie. Sie hätte zwar einen Nachbarn, aber den könne sie nicht ausstehen.
Also gehen wir gemeinsam zum Router, suchen den Netzwerknamen und -schlüssel und loggen uns bei dem fünften Versuch ins WLAN ein. „Es klappt! Ich kann die Zeitung sehen!“, klingt es vom anderen Ende der Leitung.
So oder so ähnlich sieht der Alltag von mir und einigen anderen tazler*innen seit dem 17. Oktober aus. An der Hilfshotline oder am digitalen Heldpesk (seitenwende@taz.de) versuchen wir, möglichst vielen Menschen beim Umstieg ins Digitale zu helfen. Mit der Umstellung zur digitalen Zeitung unter der Woche stehen die Leser*innen und wir vor neuen Herausforderungen. Sonst ging man einfach zum Briefkasten und die Zeitung steckte (meistens) drin. Außer der interessierte Nachbar hatte sie schon stibitzt. Nun stellt sich für viele die Frage: Wie komme ich an meine taz?
Wir bekommen Anfragen von Menschen mit unterschiedlichen Anliegen. Häufig fehlen die Zugangsdaten, eine hinterlegte E-Mail-Adresse oder ein Passwort. Einige haben keine eigene E-Mail-Adresse. Andere haben kein Smartphone oder Tablet und wollen daran auch nichts ändern. Und wiederum andere Menschen wollen den Schritt mitgehen, haben aber noch nie ein Tablet eingerichtet.
Menschen wie Manfred* aus Berlin. Er kommt nach Absprache in die taz Kantine in Berlin, bezahlt das Tablet im taz Shop. Sein vorheriges Tablet wurde gestohlen, nun also ein zweiter Versuch: anschalten, Account einrichten, Sprache einstellen, taz-App herunterladen und eine erste Einweisung ins digitale Lesen.
Während wir in der Kantine im Erdgeschoss der taz sitzen und freudig vor uns hin einrichten, kommt ein alter Bekannter in die Kantine. „Mensch, Manfred, du lebst!“ Manfred lebt und freut sich, den alten Bekannten zu sehen: „Ich dachte, du wärst im Wendland“, entgegnet er ihm. Ist er nicht. Die beiden unterhalten sich angeregt weiter. Ich muss schmunzeln und verabschiede mich hoch in den sechsten Stock. Es sind Geschichten wie diese, die motivieren, dranzubleiben.
Im sechsten Stock arbeite ich dann weiter am digitalen Helpdesk: E-Mails beantworten, Passwörter zurücksetzen und Gebrauchsanweisungen für die App verschicken. So geht es seit dem 17. Oktober und so wird es voraussichtlich noch einige Wochen weitergehen. In diesen werden wir uns wahrscheinlich auch weiterhin nicht vor E-Mails und Anrufen retten können. Wir werden mal vertrösten, mal beschwichtigen müssen. Wir werden aber versuchen, alle mitzunehmen und so viel Hilfestellung wie möglich zu leisten.
Daher bleibt uns nur die Bitte: Bleiben Sie weiterhin nett, bleiben Sie geduldig und uns gewogen. Dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
* Name geändert
Vincent Bruckmann-Levinson, taz-Redakteur, hat die Seitenwende-Tour der taz gemanagt. Aktuell ist er Teil des Help-Desk-Teams. Unser Seitenwende-FAQ: taz.de/seitenwende
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