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„Wir hatten alle schreckliche Angst“

Saddams Geiseln berichteten in Frankfurt vom (Über-)Leben in Bagdad/ Keine Angaben über Zurückgebliebene  ■ Von K.P. Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Nie wieder werde er in einem Land arbeiten, „in dem der Sonntag ein Freitag ist und der Muezzin zum Gebet ruft“, meinte Hartmut Berger* (38) aus Bayern am Sonntag in der Abflughalle C 60 des Frankfurter Rhein- Main-Flughafens, kurz nachdem die von der Bundesregierung gecharterte Maschine mit den 104 deutschen Geiseln gelandet war. Der Elektromonteur Berger arbeitete in Bagdad in der Niederlassung einer renommierten südwestdeutschen Aktiengesellschaft und lebte in den letzten beiden Monaten in einem Camp auf dem Fabrikgelände — als Geisel des irakischen Diktators Saddam Hussein.

„Wir hatten alle schreckliche Angst, nicht nur vor einem US-amerikanischen Angriff auf das besetzte Kuwait“, erzählt Berger. Schlimmer noch als die Ungewißheit über die Lage an der kuwaitisch-saudi- arabischen Grenze sei die „permanent vorhandene, akute Bedrohung“ des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Geiseln in Bagdad selbst und in anderen Orten im Irak und in Kuwait gewesen. Fanatisierte Jugendliche, „von denen jeder eine Kalaschnikow über der Schulter hängen hatte“, seien ständig durch die Straßen gezogen und hätten „in der Luft herumgeballert“ — „und wenn die einen von uns erwischt hätten, hätte doch kein Hahn danach gekräht“ (Berger).

Andere Geiseln bestätigten am Sonntag die Angaben Bergers. Und deshalb konnten sich die (vor-)letzten 104 deutschen Ex-Geiseln auch nicht so richtig über ihre Freilassung freuen: „Ich bete dafür, daß die zwanzig Engländer, mit denen ich wochenlang die Angst und das Essen geteilt habe, auch bald nach Hause dürfen“, meinte ein junger Mann. Über die freiwillig im Irak zurückgebliebenen 15 deutschen Staatsbürger war dagegen von den Freigelassenen nichts zu erfahren. Die meisten schlossen sich den Mutmaßungen Willy Brandts an, wonach es sich bei diesen Personen um „mit irakischen Frauen verheiratete Männer“ handele, von denen keiner mehr in Firmenniederlassungen oder Fabriken tätig sein soll.

Nur ein junger Mann erklärte lapidar, daß sein Chef noch in Bagdad geblieben sei, um die Zweigstelle der Firma „ordnungsgemäß“ zu hinterlassen. Weitergehende Fragen blieben unbeantwortet. Ausdrücklich dankten die freigelassenen deutschen Geiseln dem SPD-Ehrenvorsitzenden Brandt für sein Engagement in Bagdad — und ein „herzliches Dankeschön“ ging auch an die Botschafter von BRD und Ex-DDR in Kuwait. Mit ihrem Optimismus hätten die beiden Diplomaten dafür gesorgt, daß in Kuwait keiner verzweifelte. Auf die Frage, ob denn nicht die gerade aus dem Irak zurückgekehrten Geiseln mit die Verantwortung dafür zu tragen hätten, daß Saddam Husseins Armee über modernstes Kriegsgerät und Giftgas verfüge, entgegnete Brandt unwirsch: „Das müssen Sie die Unternehmen und die Regierungen fragen, aber nicht die gerade erst heimgekehrten Menschen.“ Im Gegensatz dazu forderte die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ gestern dazu auf, jeden einzelnen Rückkehrer darauf zu überprüfen, ob er in der irakischen Rüstungsindustrie tätig gewesen sei. Bundesaußenminister Genscher dementierte unterdessen einen Bericht des 'Spiegel‘, wonach deutsche Firmen nach wie vor im irakischen Rüstungsgeschäft aktiv seien.

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