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„Wir haben den Mut, das aufzuschreiben“

■ Im ersten Kulturentwicklungsgespräch schälten SprecherInnen der Musikszene Senator Schultes Kulturplan wie eine Zwiebel. Es war ein gelungener Auftakt

„Ey Senator, habt'er euch echt viel Arbeit gemacht, steht ja auch wat gutes drin, is' aber trotzdem Scheiße.“ Auf diese Formel würden Leute mit einer handfesten Ausdrucksweise ihre Lektüre des von Senator Bernt Schulte (CDU) vorgelegten Rahmenplans für die Kulturentwicklung in Bremen bringen. Die Bremer Musikszene, die Schulte gestern zum ersten von vier geplanten Kulturentwicklungsgesprächen in die Hochschule für Künste eingeladen hatte, drückte sich gewählter aus, kam aber mehrheitlich zum gleichen Ergebnis.

„Positiv überrascht“ war Brigitte Schulte-Hofkrüger vom Kulturrat. „Der Plan nötigt mir gehörigen Respekt ab“, lobte Albert Schmitt von der Kammerphilharmonie. „Ich bewundere das Papier“, sagte Ute Schalz-Laurenze in ihrer Eigenschaft als Veranstalterin in der Projektgruppe Neue Musik, „aber“ ... Und mit diesem ersten von vielen Abers wurde der Rahmenplan durch MusikerInnen, ehrenamtliche und professionelle ManagerInnen und anderem musikalisch aktiven Personal wie eine Zwiebel bis zur Kenntlichkeit geschält.

Die zwei Hauptvorwürfe der Sparte Musik an die AutorInnen des Plans, den Schulte in Folge der Gespräche bis zum Sommer zum Kulturentwicklungsplan (KEP) umschreiben will: Das Papier bildet die Vielfalt des Bremer Musiklebens gar nicht ab und hangelt sich unter Bevorzugung der großen, auf E-Musik spezialisierten Einrichtungen nur an den aus dem Kulturetat geförderten Instititutionen entlang. Zweitens: Der Plan entfaltet keine kulturpolitische Vision an sich, sondern stellt sich unter das Dogma der Haushaltsnotlage.

1983, als Bremens letzter KEP veröffentlicht wurde, war darin vom „Künstler als autonomem Subjekt“ zu lesen, das „gesellschaftliche Konventionen produktiv und provokativ in Frage stellt“. 18 Jahre später sind solche Arbeitsplatzbeschreibungen einem Pragmatismus gewichen. „Ich will keine große kulturpolitische Diskussion bestreiten“, sagt Schulte. Nur knapp fallen die so genannten Leitlinien zwischen „Traditionen bewahren“ bis „Kultur ist Investition“ aus, bevor der Plan zur Sache, also zur Haushaltsnotlage kommt. Joachim Klement, Chefdramaturg am Bremer Theater, liest das als Schizophrenie: „Wir hätten's gern schön, aber können's nicht bezahlen.“ „Trefflich beschrieben“, sagt Schulte darauf. Doch: „Alle meine Kollegen leiden unter den gleichen Problemen, aber wir haben den Mut, das aufzuschreiben.“ Seine Bitte: „Lassen Sie uns trotzdem Perspektiven entwickeln.“

Den Anwesenden, die zwischen MusikerInnen-Initiative Buntentor (MIB) und Philharmonischer Gesellschaft einen hinlänglich repräsentativen Querschnitt durch das Musikleben verkörpern, geht es zunächst um eine echte Bestandsaufnahme. Die MIB ist im Plan nicht erwähnt, das Musiktheater als Sparte, Radio Bremen als Produzent und Veranstalter auch nicht. Und die Glocke, moniert die Geschäftsführerin des Konzerthauses, Ilona Schmiel, taucht als Haus auf, in dem „oftmals Konzertprogramme internationaler Orchester mit gutem Publikumszuspruch stattfinden“. „Was soll ich da von einem Konzept für das Haus erwarten?“ fragt sich Schmiel. Und Klaus Sondergeld, Geschäftsführer der Bremen Marketing Gesellschaft (BMG), hat auch Wünsche: „Klare Schwerpunkte und dann auch entsprechende Schwerpunktentscheidungen.“

Schulte will die Kritik und Wünsche, wie angekündigt, in den Plan einarbeiten. Schon im März bekommt er mehr davon zu hören, wenn es um das Thema Theater geht. Der gestrige Auftakt, das kann man sagen, war gelungen. Sachlich und vor allem fundiert nahmen die RednerInnen auseinander, was auseinander zu nehmen ist. Vielleicht finden sie Gehör. Und die von vielen als strangulierend empfundene Finanznotlage? Schulte: „Ich möchte Sie alle einladen, mehr zu fordern.“ ck

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