piwik no script img

Kulturarbeiterin über Open-Air-Kino„Wir haben Lust, am Leben der Stadt teilzunehmen“

Am Bremer Hillmannplatz kreuzen sich verschiedene Interessen und das gibt Probleme. Mit Kino unterm freien Himmel soll er positiv besetzt werden.

So ähnlich könnte es auf dem Hillmannplatz beim „Silent Cinema“ aussehen: Kopfhörer gibt es vor Ort Foto: Jerome Favre/dpa
Interview von Wilfried Hippen

taz: Frau von Essen, der Hillmannplatz ist mit vielen Polizeieinsätzen und Belästigungen einer der Problempunkte Bremens. Warum veranstalten Sie dort ein Open-Air-Kino?

Susanne von Essen: Der Hillmannplatz ist mit seiner Nähe zum Hauptbahnhof das Tor zur Stadt. Und er ist zum Angstort geworden, denn an solch einem Ort in Bahnhofsnähe passiert sehr viel. Es gibt aber auch eine hohe Eigenverantwortung der Anrainer, zu denen das Bremer Kommunalkino City 46 gehört, mit dem zusammen wir das Open-Air-Kino veranstalten. Die Idee ist, zusammen mit Kulturschaffenden diesen Ort selber zu besetzen.

taz: Sie nennen Ihre Filmreihe „Silent Cinema“, aber das bedeutet nicht, dass es dort nur Stummfilme zu sehen gibt, oder?

von Essen: Nein, wir wollen aber die An­woh­ne­r*in­nen nicht auch noch mit unserem Lärm stören. Wenn wir den Platz beschallen würden, wären die Leute dazu gezwungen, den Film auch zu konsumieren. Darum verteilen wir 80 Kopfhörer. Das Publikum kann so individuell die Lautstärke regulieren und hat ein intensives Hörerlebnis. Und gleichzeitig treffen die Leute sich auf einem öffentlichen und von allen Seiten zugänglichen Platz.

Bild: privat
Im Interview: Susanne von Essen

hat europäische Ethnologie und Erziehungswissenschaft studiert. Sie begann ihre Kulturarbeit auf Kampnagel in Hamburg. In Bremen realisierte sie das Künstlerhaus Schwankhalle und den Relaunch des Kulturfestivals Breminale.

taz: Die Reihe beginnt am 16. August mit dem Dokumentarfilm „Barbara Morgenstern und die Liebe zur Sache“. Nach der Vorführung wird diese Pionierin der lyrischen Elektromusik ein Konzert geben. Wird das auch ein Silent Concert?

von Essen: Ja! Als wir Barbara Morgenstern darüber informierten, wie wir diesen Film über den Entstehungsprozess ihres neuen Albums zeigen, hat sie selber vorgeschlagen, auch ihr Konzert über die Kopfhörer zu spielen. Für sie sei die Intimität, die so entsteht, ein Geschenk.

Open-Air-Kino Silent Cinema (also Kino mit Kopfhörern), im Fokus stehen Filme, die sich mit Urbanität, Demokratie und Empowerment beschäftigen. Vom 16.–17. 8. und vom 22.- 24. 8. jeweils um 20.30 bzw. 21 Uhr, Hachmannplatz, Bremen. Eintritt nach nachsolidarischem Preissystem. Das Programm: neudenken.de/tatkraft-hillmannplatz/

taz: Am 17. August veranstaltet das Bremer Filmbüro dann bei Ihnen sein Programm „Open Screen“. Was passiert da?

von Essen: Bei „Open Screen“ darf jeder zeigen was er will. Die Leute können ihre Filme einreichen und sie haben dort ihre Premiere. Von Fiktion über Musikvideos bis zu Experimentalfilmen ist alles erlaubt. Einzige Bedingung ist, dass die Filme maximal zehn Minuten lang sind. Dieses Mal ist so ein Programm von mehr als 90 Minuten zusammengekommen.

taz: Zum Abschluss zeigen Sie mit Charlie Chaplins „Modern Times“ doch noch einen Stummfilm. Wie kam es zu dieser Wahl?

von Essen: Wir wollten neben all den neuen Filmen mit sozialpolitischen Themen auch einen Klassiker zeigen. Dessen Gesellschaftskritik trifft auf den Punkt und dafür scheint jetzt wieder die richtige Zeit zu sein.

taz: Sie sind Mitglied in dem Verein Stadtneudenken, der „Silent Cinema“ organisiert hat. Wie kamen Sie auf diese Idee?

von Essen: Wir sind Kulturschaffende. Viele von uns kommen vom Theater und darum denken wir in Bildern. Und wir haben Lust dazu, am Leben der Stadt teilzunehmen. Wir entwickeln Formate, die verschiedene Perspektiven auf die Entwicklung der Stadt zulassen.

taz: Was für Projekte verwirklichen Sie sonst?

von Essen: Es läuft jetzt gerade ein Projekt von uns in der Hochhaussiedlung Kattenturm. Da haben wir versucht, die Menschen aus dem Quartier einzubinden. Es gibt eine Modenschau, für die die Frauen von Kattenturm genäht haben, eine Bühnenshow und einen Flohmarkt. Außerdem sind die Ar­tis­t*in­nen der Bremer Gruppe Slackline oben zwischen den Hochhäusern balanciert.

taz: Und was ist Ihr Traumprojekt?

von Essen: Ich würde gerne in Woltmershausen und am kleinen Neustädter Hafen eine Wasserbespielung mit einem Badeschiff veranstalten und so aus der Weser einen Badesee machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare