piwik no script img

EUROFACETTENWir brauchen ein Gesetz

■ Behinderte müssen Gleichstellung einklagen können

Behindertenpolitik geht die gesamte Gesellschaft an. Um diese Ansicht durchzusetzen und Behinderte endlich gleichzustellen, brauchen wir ein Anti-Diskriminierungsgesetz. Ich selber lebe von Geburt an mit einer Sehschädigung. Deshalb durfte ich sieben Jahre lang nicht in dieselbe Schule gehen wie Kinder der Nachbarschaft, sondern mußte eine Sonderschule für Blinde und Taube besuchen. Nur mit Mühe gelang es meinen Eltern, mich in einer Regelschule anzumelden. Hier wie auch bei meiner späteren Ausbildung zum Lehrer erfuhr ich, wie wenig die Gesellschaft über die Lage von Behinderten weiß. All diese Erfahrungen brachten mich dazu, mich im „Britischen Rat der Behinderten-Organisationen“ (BCODP) zu engagieren. Alle BCODP- Gruppen werden von Behinderten selbst geleitet und kämpfen daher mit dem Widerstand der traditionellen Behindertengruppen in diesem Land, die nämlich von Nicht-Behinderten geleitet sind und eine Konzeption vertreten, wonach stets die jeweilige Schwäche eines Behinderten Ursache ist für wirtschaftliche und soziale Benachteiligung.

BCODP hat klargestellt, daß eine benachteiligende Umgebung und Behinderten-feindliches Verhalten Behinderte vom Lebensstil der Nicht-Behinderten ausschließen. Mit anderen Worten: Wir werden institutionell diskriminiert. BCODP hat auch aufgezeigt, daß das Problem für Frauen sowie für Behinderte, die sexuellen oder ethnischen Minderheiten angehören, noch erheblich schlimmer ist. Diese Menschen sind zusätzlich Sexismus, Heterosexismus, Homophobie und Rassismus ausgesetzt. So werden behinderte Frauen davon abgehalten, Kinder zu bekommen, mit dem Argument, sie seien unzulängliche Mütter. Kinder werden in Sonderschulen abgeschoben, die nicht die Kenntnisse vermitteln, die für ein unabhängiges Erwachsenenleben erforderlich sind.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die individuelle Unterschiede akzeptiert und sogar begrüßt. Ein Anti-Diskriminierungsgesetz kann einen wirksamen Rahmen bilden für eine Politik, die Behinderte in den Fluß des sozialen Lebens integriert. Ein solches Gesetz würde der Gesellschaft signalisieren, daß Diskriminierung in keiner Form akzeptabel ist. Es würde Quoten zur Anstellung von Behinderten vorschreiben, es würde Kindern das Recht geben auf den Besuch von Regelschulen. Es erlaubte uns, gegen Behörden vorzugehen, die nicht dafür sorgen, daß wir Zugang haben zu öffentlichen Gebäuden und Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Theater, Kneipen. Für eine solche Gesellschaft, meine ich, sollten alle Menschen kämpfen. Colin Barnes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen