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„Wir brauchen den Druck der Europäer“

Dan Becker, Mitarbeiter des konservativen „Sierra Clubs“, eine der ältesten Umweltorganisationen in den USA, über die Frontstellungen auf der Klimakonferenz und den wirtschaftlichen Aspekt von Umwelttechnologien  ■ I N T E R V I E W

taz: Mr. Becker, was sagen Sie zum Stellenwert und Ergebnis der jetzt zu Ende gegangenen Klimakonferenz?

Dan Becker: Erst mal haben wir auf keinen Fall erwartet, daß die Konferenz so verlaufen würde. Ziel der Bush -Administration war es, das Problem der globalen Erwärmung der Erde zu verwässern; man wollte die Unsicherheit der wissenschaftlichen Analysen beschwören und die Teilnehmer davon überzeugen, daß es schlicht zu teuer ist, etwas gegen die Klimaerwärmung zu unternehmen. Die Europäer, die Teilnehmer aus der Bundesrepublik, den Niederlanden, Frankreich und Norwegen haben den Verlauf der Konferenz auf den Kopf gestellt. Das bedeutet ein Sieg für die Umweltbewegung in den USA; die Administration ist gezwungen worden, zuzugeben, daß unsere wissenschaftlichen Kenntnisse ausreichen und wir jetzt dazu übergehen können, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Dieser Sinneswandel kommt zum Ausdruck in den zusammenfassenden Schlußreden. Ohne den Druck der Europäer und anderer Nationen wäre die Schlußfolgerung, daß wir jetzt ohne weitere Verzögerung aktiv werden müssen, nicht möglich gewesen.

Unter Druck kann jeder leicht Versprechungen machen. Werden jetzt Taten folgen?

Die Europäer müssen ihren Druck aufrechterhalten, sonst wird die US-Regierung immer weiter hinter ihre alten Positionen zurückfallen. Die USA möchten am liebsten weiterhin nichts unternehmen. Wir brauchen den Druck anderer Regierungen.

Wie wird die US-amerikanische Bevölkerung auf diese peinliche Erfahrung ihrer Regierung reagieren?

Die Presse hat das ihrige getan, die peinliche Situation, in die die Administration sich während der Konferenz selbst hineinmanövriert hat, darzustellen. Der Bevölkerung wird klargeworden sein, daß die Position Präsident Bushs zur Klimaerwärmung schwach ist. Wir hoffen, daß immer mehr Amerikaner ein Umschwenken von ihrer Regierung fordern.

Die Regierung behauptet, schon jetzt einiges gegen die Klimaerwärmung zu tun. Sie beruft sich auf Energiesparmaßnahmen und das neue Luftreinhaltegesetz. Umweltminister Reilly referierte, daß diese Maßnahmen den Anteil der Treibhausgase bis zum Jahr 2000 um 15 Prozent gegenüber den sonst zu erwartenden Werten reduzieren. Wie kann verhindert werden, daß sich die Regierung immer wieder auf solche Positionen zurückzieht?

Indem die Fakten aufgezeigt werden. Die USA waren seit den frühen siebziger Jahren traditionell Vorreiter in Sachen Umweltschutz. Aber in der Ära Reagan und heute unter Bush sind sie weit zurückgefallen. Das jetzt im Kongreß diskutierte Luftreinhaltegesetz trägt praktisch nichts zur Eindämmung des Treibhauseffekts bei.

Wie stellen sich die US-amerikanischen Umweltorganisationen in der Folge konkrete Maßnahmen vor?

Einmal muß jedes Land seine eigenen konkreten Maßnahmen ergreifen. Die Bundesrepublik will jetzt Regelungen zur Verminderung des Treibhausgases Kohlendioxid erlassen. Wir werden genau beobachten, ob diese Regelungen auf westdeutschen Daten basieren. Durch das Einbeziehen der DDR könnte man nämlich von Grunddaten ausgehen, die eine Reduktion von Kohlendioxid einfach erscheinen lassen: Das wäre ein billiger und gleichzeitig schmutziger Ausweg. Neben den Initiativen einzelner Länder müssen internationale Regelungen verabschiedet werden.

Wie sehen Sie die wirtschaftlichen Auswirkungen von wirksamen Maßnahmen zum Schutz des Klimas?

Vorbeugen ist auf jeden Fall billiger, als später die Kosten der Folgen einer Klimakatastrophe in Kauf zu nehmen. Es ist für unsere Kinder viel schwieriger, eine Treibhauswelt wieder abzukühlen, als es für uns ist, die Erwärmung relativ frühzeitig zu verhindern.

Ein anderer wirtschaftlicher Gesichtspunkt. Dank der umweltfeindlichen Politik der Reagan- und Bush -Administration verliert die USA ihre Umweltindustrie.

Auf jeden Fall. So wurde zum Beispiel unser wichtigster Solartechnologieproduzent gerade von Siemens eingekauft. Während unsere Wirtschaftskonkurrenten in die Umwelttechnik einsteigen, verlieren die USA in dieser Branche. Wir werden in Zukunft darauf angewiesen sein, Umwelttechnologien von unseren Konkurrenten einzukaufen. Wirtschaftlich ist das eine schwere Fehlplanung. Würden wir wirtschaftlich denken, müßten wir zuallererst Energiesparmaßnahmen ergreifen. Damit allein könnten wir 75 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren sparen.

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