■ Wir bauen die Hauptstadt: Anfangs hab' ich mich hier verlaufen
Helmut Hornich, 40 Jahre. Ich bin hier auf dem Bau des Bundesfinanzminsteriums Maurer. Das ist ein besonders großer Bau. Am Anfang hatte ich regelmäßig das Problem, meinen Arbeitsplatz zu finden, und habe mich verlaufen. Die Stimmung ist ganz gut. Nur mit den Ausländern, die manchmal keine Facharbeiter sind, gibt es bisweilen Probleme. Und wir müssen das im wahrsten Sinne des Wortes wieder geraderichten.
Im dem Bau steckt viel Geschichte. Erst war hier das Reichsluftfahrtministerium der Nazis, und dann kam der Umschwung zum Sozialismus. Hier ist schon ganz schön was los gewesen. Aber ich finde, daß sich die Diktatur der Nazis in der Architektur des Gebäudes nicht niederschlägt.
Ich selbst komme ja aus Ostdeutschland. Aber bezüglich der Gründung der DDR, die hier im großen Festsaal stattgefunden hat, habe ich eigentlich gar keine Gefühle, auch keine Nostalgie. Ich wollte nie Maurer werden, sondern bei der Hochseefischerei arbeiten. Aber mein Bruder, der hat drüben gelebt. Der ist abgeschoben worden, nachdem er dreimal probiert hatte, über die Grenze zu machen. Schließlich haben sie ihn gehen lassen. Dann hatten sie Angst, daß ich auch abhaue. Ein paar Jahre hatte ich mit dem Staat richtige Probleme.
In den ersten Jahren war man mit der DDR ja auch zufrieden. Man hatte sichere Arbeit, und ich glaubte auch noch an den Staat. Mit der Zeit wuchs das Mißtrauen. Also, daß die Mauer gefallen ist, hat mich sehr gefreut. Aber dieWiedervereinigung ging zu schnell. Die ostdeutschen Betriebe wurden alle untergebuttert. Der Osten ist nach der Wiedervereinigung auf der Strecke geblieben.
Ich finde es gut, daß Berlin nicht nur Hauptstadt ist, sondern auch Regierungssitz wird. Allerdings kostet den Staat die Sanierung der Gebäude hier ja auch einiges. Andererseits bringt das Arbeit. In Eberswalde, wo ich wohne, gibt es keine Arbeit. Und wenn, dann ist der Lohn im Osten zu niedrig.
Das Bundesministerium der Finanzen wurde nach dem ermordeten Präsidenten der Treuhandanstalt Detlev-Rohwedder-Haus genannt. Der Bau wurde 1935/36 als eines der ersten Renommierprojekte der Nazis in nur 18monatiger Bauzeit als Reichsluftfahrtministerium fertiggestellt. Nach dem Krieg zog zunächst die Sowjetische Militäradministration ein, 1947 die Deutsche Wirtschaftskomission und 1949 der Deutsche Volksrat. Im selben Jahr wurde hier die Verfassung der DDR beschlossen. Schließlich diente das Haus bis 1989 als „Haus der Ministerien“. Vom 3. Oktober 1990 an beherbergte das Gebäude Außenstellen des Bundesfinanzministeriums und des Bundesrechnungshofes. Zugleich hatte hier die Treuhandanstalt bis 1995 ihren Hauptsitz. Annette Rollmann
wird fortgesetzt
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