Winterwetter in Deutschland: Im Schneesturm durch die Klimakrise
Es ist in vielerorts gerade kalt – trotz Erderhitzung. Obwohl das intuitiv nicht zusammenpasst, gibt es dafür gute Erklärungen.
Die Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg beklagte kürzlich auf Twitter, dass jetzt wieder darüber debattiert werde, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Kaltes Wetter und Erderhitzung, passt das zusammen?
Mehr Schneefall bei Winterstürmen sei eine erwartbare Folge des Klimawandels, weil auf einem wärmeren Planeten mehr Wasser in die Atmosphäre verdunste, zitiert Thunberg Klimaexpert:innen. „Das sollte natürlich mittlerweile allgemeines Grundwissen sein, aber anscheinend ist das nicht so“, beklagt die 18-Jährige.
Erst einmal ist Wetter nicht dasselbe wie das Klima. Wetter ist das, was wir jeden Tag erleben: Mal scheint die Sonne, mal regnet es, mal ist es warm – und mal bitterkalt, wie aktuell in Norddeutschland. Das Klima ist das Wetter über einen langen Zeitraum gemittelt, üblicherweise setzt man 30 Jahre an. Ein einzelner Schneesturm ist deshalb von vornherein kein Argument gegen den Klimawandel, denn der globale Temperaturtrend geht eben nach oben.
Die Erderhitzung kann auch Kälte verursachen
Manchmal ist kaltes Winterwetter aber gar kein Ausreißer aus dem Gesamttrend, sondern gerade ein Indiz dafür. Nämlich wenn Luftströme in Regionen wandern, in denen sie eigentlich nichts zu suchen haben. Das aktuelle Winterwetter könnte so ein Fall sein.
„Wir stecken ja jetzt noch mittendrin“, sagt Karsten Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. „Noch können wir keine gesicherten Aussagen dazu treffen, wie das aktuelle Wetter mit dem Klimawandel zusammenhängt.“
Der extreme Wintereinbruch in der Nordhälfte Deutschlands könnte aber eine Folge einer Störung des Polarwirbels sein. Das ist ein Wirbel aus Frostluft, der sich im Winter über dem kalten Nordpol in der Stratosphäre ausbildet – in 10 bis 50 Kilometer Höhe. Er wird normalerweise von kräftigen Winden umschlossen, die über 250 Stundenkilometer schnell sind. Sie wirken wie eine Mauer und sorgen dafür, dass die eisige polare Luft nicht entweichen kann.
Allerdings kann es geschehen, dass warme Luft in den Polarwirbel eindringt und ihn dann sogar teilt – und das könnte vor einigen Wochen passiert sein. Die Rede ist dann von einem „Polarwirbel-Split“. Dann kann sehr kalte Luft in niedrigere Breitengrade strömen, wo es normalerweise wärmer wäre.
Es liegt nahe, dass dieser Vorgang mit dem Klimawandel häufiger auftritt, empirische Daten gibt es laut dem Deutschen Wetterdienst aber bisher noch weniger als etwa zu sommerlichen Hitzewellen.
Hinzu kommt der Effekt, den Greta Thunberg anspricht: Generell kann wärmere Luft mehr Wasser in Form von Wasserdampf aufnehmen, pro Grad Erwärmung sind es 7 Prozent. Bei entsprechender Wetterlage können deswegen Niederschläge stärker ausfallen – je nach Temperatur entweder als Regen oder bei niedrigen Temperaturen auch als Schnee.
Insgesamt ist auch die aktuelle Wintersaison in Deutschland bisher im Übrigen nicht auffällig kalt – ganz im Gegenteil. Der Dezember war in Deutschland zwar größtenteils trüb und ungemütlich, aber unterm Strich deutlich zu warm. Durchschnittlich herrschten 3 Grad. Das liegt um 2,2 Grad über dem Schnitt der Jahre 1961 bis 1990.
Im Januar war es mit durchschnittlich 0,6 Grad immer noch 1,1 Grad zu warm. Auch in der Vergleichsperiode hatte die Erderhitzung ja längst begonnen, sodass auch sie schon über dem Niveau vorindustrieller Zeiten lag.
Wie der Winter alles in allem ausfallen wird, lässt sich noch nicht sagen. Der Februar als dritter Monat fehlt schließlich größtenteils noch. Um die zu warmen Monate Dezember und Januar auszugleichen, müsste er logischerweise deutlich zu kalt sein. Generell hat sich das Klima in Deutschland gegenüber vorindustrieller Zeit um rund 1,5 Grad erwärmt.
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