Winter: Stürzen on Ice
Es friert, aber zum Schlittschuhlaufen laden Bremens Gewässer nicht ein - zu bucklig die Oberfläche, zu dünn das Eis. Hätte der Eisverein bloß mehr Unterstützer
Den Zustand der Semkenfahrt nennt Otger Weigel "ein bisschen traurig", wenn er recht überlegt sogar "dramatisch schlecht" - es ist das anhaltend kälteste Winterwetter seit langer Zeit, aber weil es nach der ersten Frostperiode wieder wärmer wurde und dann auch noch schneite, eignet sich die Oberfläche bestenfalls, um Stürze on ice zu üben, nicht zum sanften Sausen.
Otger Weigel, Vorstandsmitglied des Bremer Eisvereins, betrachtet das mit Wehmut. Sache des Vereins ist es, die Semkenfahrt im Blockland als Eislauffläche zu pflegen, in guten Zeiten macht das glücklich. Dann werden die Eisvereinsler zu Helden, weil sie eine 30 Hektar große Fläche bereitstellen, auf der sich ganz Bremen versammelt. In Zeiten wie diesen aber ist es frustrierend. Einerseits wollen die Leute vom Eisverein selber gerne fahren, andererseits spüren sie die Erwartungshaltung vieler Bremerinnen und Bremer, die sich bei der Kälte fragen: Wann machen die denn endlich mal die Semkenfahrt flott?
Dabei tun die gut 20 Ehrenamtlichen, was sie können. Und das ist nicht viel. Der Deichverband füllt die Wiese mit Wasser, und wenn es gefriert, dann stehen die Chancen gut für das Eisvergnügen, dann sind die Eisvereinsler die ersten, die die Schlittschuhe anziehen und eine Fahrt wagen. Dann kontrollieren sie die Dicke des Eises mit Hilfe des in jahrelanger Erfahrung geschulten Gehörs, das gutes Knacken von gefährlichem Knistern unterscheidet - und geben die Fläche frei. Aus Mitgliedsbeiträgen und den Spenden, die sie in guten Jahren von Eisläufern einsammeln, finanzieren sie das Wasser, das über eine Pumpe von unten zugeleitet wird, um die Fläche stabil zu halten.
Mehr geht nicht, die Bearbeitung verschneiter, buckliger Flächen ist ausgeschlossen. Dafür reichen weder Geld noch Kräfte. Weigel würde all die ungeduldigen Bremer gerne als zahlende Mitglieder im Eisverein begrüßen, sagt er. Gemeinsam mit den schon einigermaßen angejahrten Aktiven ließe sich mehr machen mit der Semkenfahrt, zum Vergnügen aller könnte etwa kollektiv der Besen geschwungen werden, um die Fläche glatt zu kriegen. "Die Bremer werden sie dafür loben", sagt Weigel.
Ob es dieses Jahr noch etwas wird mit dem Fahrvergnügen, ist fraglich. Es soll kalt bleiben, das wird das Eis nicht besser machen. Auf anderen Gewässern im Stadtgebiet sieht es nicht besser aus. Und: Die Umweltbehörde warnt vor deren Betreten, nirgendwo trägt das Eis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins