Winfried Kretschmann über Macht: „Ich wollte mein Amt aufgeben“
Er hatte sich schon einen Nachfolger ausgeguckt. Nur weil der abhanden kam, machte Kretschmann weiter – und wurde erster Regierungschef der Grünen.
Stuttgart taz | Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wollte sich eigentlich längst aus der ersten Reihe der Politik zurückgezogen haben. "Ich hatte vor, im Laufe der vergangenen Legislaturperiode mein Amt als Fraktionsvorsitzender aufzugeben", sagt der Grünen-Politiker im Gespräch mit der sonntaz.
"Ich hatte Boris Palmer als meinen Nachfolger im Kopf. Doch dann wurde Palmer überraschend Oberbürgermeister von Tübingen. Alle stürmten auf mich ein, dass ich das noch mal machen müsse." Also machte er weiter. „Daraus hat sich eine Dynamik entwickelt, und jetzt bin ich Ministerpräsident“, sagt Kretschmann.
Palmer, bis dahin Kretschmanns-Vize im Landtag, wurde 2006 OB. Kretschmann holte bei der Landtagswahl 2011 als Spitzenkandidat 24,2 Prozent. Als erster Ministerpräsident der Grünen regiert er seit vergangenem Mai in einer Koalition mit der SPD das Land, in dem die CDU fast über Jahrzehnte die Macht hatte.
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Über den Politikbetrieb in Berlin äußert sich Kretschmann im sonntaz-Gespräch nicht gerade liebevoll. „Dieses interessenstaktische Geflecht ist mir abhold“, stichelt er. „Wenn ich in Berlin bin, denke ich auch heute noch jedes Mal: Wie schön ist es in Baden-Württemberg!“ In seine Kritik schließt er die eigene Partei ein. „Ich war ja mal zwei Jahre im Parteirat in Berlin. Aus dem bin ich gerne wieder rausgegangen.“
Selbsteinsschätzung: Provinzpolitiker
Kretschmann zweifelt daran, dass er sich in der Hauptstadtpolitik durchsetzen könnte. Mit Verweis auf die in Berlin gescheiterten SPD-Politiker Kurt Beck und Matthias Platzeck sagt er: „Zu der Sorte gehöre ich ja irgendwie. Wenn man am falschen Ort ist, richtet man nichts aus oder scheitert.“ Er sei ein „Provinzpolitiker durch und durch“. Das Wort ist für ihn positiv besetzt.
Kretschmann sagt, er sei als erster Grünen-Ministerpräsident eine „historische Figur“, ob er das nun wolle oder nicht. Deshalb müsse er auch seine „katholische Demut mobilisieren, damit ich nicht denke, ich sei was besonderes“. Doch grundsätzlich gelte: „Irgendwann springen wir alle in die Kiste. Und ob ich da berühmt war oder nicht, man zerfällt so oder so zu Staub.“
Kein Linker
Auf die Frage nach seiner politischen Verortung, sagt Kretschmann: „Ein Linker bin ich nicht.“ Ein radikaler Umweltschützer sei er dagegen „schon eher.“
Was seinen Lebensstil angeht, sieht er sich als „Kleinbürger“: „Ich komme aus einem kleinbürgerlichen Haushalt, ich bin kleinbürgerlich sozialisiert, und mir gefallen Dinge, die einem Kleinbürger gefallen, wie Wandern gehen.“
Kretschmann spricht auch über seine Kindheit als Sohn von Flüchtlingen in Oberschwaben, wie ihn seine Frau und die Lektüre Hanna Arendts zur Abkehr von einer Politsekte brachten und darüber, was die Stuttgart-21-Proteste für das Image der Schwaben bedeuten. Das Interview im Wortlaut lesen Sie in der Osterausgabe der sonntaz - erhältlich am Kiosk, e-Kiosk oder im Wochenendabo.
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