Willi Heineking erlag Krebsleiden: Tod eines Bürgermeisters
Heute wird Willi Heineking (CDU), der über 35 Jahre Bürgermeister in Landesbergen war, beerdigt - nur wenige Wochen nach der Krebsdiagnose. Wie konnte er sich so lange im Amt halten?
Seine Karriere: Der Unternehmer und CDU-Politiker Willi Heineking war mehr als 35 Jahre lang bis zum Frühjahr Bürgermeister seines Heimatdorfes Landesbergen in Niedersachsen. In seinen letzten Wochen wurde er zum Ehrenbürgermeister der 3.000-Seelen-Gemeinde ernannt. Bis 2003 war er zudem Mitglied des Landtags, zuletzt als Alterspräsident. Heineking war der größte Arbeitgeber in Landesbergen, er förderte den örtlichen Sportverein und den Heimatverein massiv. Für die Verschönerung des Dorfkerns und eine Ortsumgehung kämpfte er bis zuletzt.
Sein Ende: In der Nacht zum 22. August starb Willi Heineking mit 75 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Diagnose war erst vor neun Wochen gestellt worden. Am Mittwoch wird er in Landesbergen beerdigt.
Seinen Sarg ließ er auf seiner letzten Fahrt, vom Krankenhaus in sein Heimatdorf, zweimal absetzen: einmal vor dem Sportplatz, wo der Landesberger SV einmal gegen die kubanische Fußball-Nationalmannschaft gespielt hatte, auf seine Vermittlung hin. Ein weiteres Mal vor der alten Mühle, wo der Heimatverein tagt, dessen Vorsitzender er war. Eigentlich sollte hier das Glockenspiel läuten, ein letzter Gruß, so hatte er es sich testamentarisch gewünscht. Doch das klappte nicht, die Mechanik streikte. Es ging ohne Lied weiter zum Beerdigungsinstitut. Heute wird der Ehrenbürgermeister von Landesbergen beerdigt.
Willi Heineking ist tot. Vergangene Woche starb er 75-jährig an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Das ging sehr schnell. Nur acht Wochen vergingen zwischen Diagnose und Tod. Mehr als 35 Jahre lang, bis zum Frühling dieses Jahres, war Heineking Bürgermeister der 3.000-Seelen-Gemeinde Landesbergen an der Weser. Der dienstälteste Bürgermeister Niedersachsens hat gekämpft gegen sein rasches Ende. Öffentlich und hart. Vergeblich. "Häuptling Silberlocke", so sein Spitzname, wird nun zu Grabe getragen. Sein Parteifreund und Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) kann nicht dabei sein, anders als einige im Dorf die letzten Tage noch gemutmaßt hatten. "Aufgrund einer lange geplanten Auslandsreise geht das nicht", heißt es in der Staatskanzlei.
Wer war Willi Heineking? Zunächst ein Selfmademan, der zum Millionär wurde, zum Paten seines Geburtsortes. Er war mit 273 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber des Ortes. Aus dem Nichts, mit Bauernschläue, die ihm auch seine Gegner attestieren, baute er ein kleines Geschäftsimperium auf: Zuerst war er Fleischer. Dann Viehhändler. Dann Schweinetransporteur mit seinem Bruder. Dann internationaler Spediteur. Zugleich Investor einer Kette von Teppichgeschäften. Schließlich mit seinem Sohn Geschäftsführer eines Logistikzentrums, der Heineking Logistik & Handels GmbH. Sein Bruder blieb im Geschäft mit den Tiertransporten - "Schweineking" nannten ihn deshalb einige im Dorf. Heineking hätte vielleicht "Heideking" genannt werden sollen, aber darauf kam niemand.
Er war der King in Landesbergen, schon immer. Im Unruhejahr 1968 stieg Heineking in die Lokalpolitik ein, engagierte sich im Rat von Landesbergen. Vier Jahre später wurde er zum Bürgermeister gewählt - und blieb es bis zum Mai dieses Jahres. In Landesbergen heißt es, er sei einfach immer wieder gewählt worden, weil er so viel Geld aus eigener Tasche ins Dorf gepumpt habe: in die Restaurierung der alten Mühle, in die Aufhübschung des Dorfkerns, vor allem aber in den Landesberger SV, von Insidern nur LSV genannt.
Die Fußballer des LSV spielen derzeit in der Bezirksoberliga. Sie wollen zukünftig wieder mehr auf die eigene Jugend setzen, weil eingekaufte Stars zu schnell von anderen Vereinen weggekauft wurden. Heineking spendete für den Verein immer großzügig, ebenso für den Heimatverein. Der langjährige Bürgermeister habe für die Belange der Vereine im Dorf immer ein offenes Ohr gehabt, sagte Gemeindedirektor Walter Busse zum Abschied Heinekings als Bürgermeister: "Wenn es dabei um den LSV oder den Heimatverein ging, waren sie sogar sehr weit offen." Bei der Festveranstaltung zu seinem Abschied im "Mühlengasthof" sang der Frauensingkreis zusammen mit dem Männergesangsverein "Es klappert die Mühle" - "eine Anspielung an Heinekings größtes Projekt, den Wiederaufbau der Mühle mit dem historischen Mühlenplatz", wie die Harke, die Lokalzeitung des nahen Nienburg, Anfang Juni schrieb.
Dank Heineking boomten vor allem die Sportstätten im Dorf. Für die Fußballer, Tennisspieler, selbst für die Reiter war Heineking wichtig. Er setzte sich dafür ein, dass Landesbergen mit den Gemeinden Estorf, Husum und Leese zu einer "Samtgemeinde" wurde - und er setzte durch, dass die Preußen Elektra auch wieder Gewerbesteuer an die Gemeinden ihres Standortes zahlte. Heineking bekämpfte den Bau einer Mülldeponie im Süden seines Heimatkreises. Er kämpfte für den Bau eines Biomassekraftwerk des Energieversorgers Eon, für das Investitionen von 40 Millionen Euro geplant waren.
Überhaupt, die grüne Seite Heinekings: Große Teile seines Fuhrparks stattete er mit Biodieselmotoren aus, um den Lkw-Herstellern zu demonstrieren: Sprit vom heimischen Rapsacker eignet sich zum Fahren von Lastern ebenso gut wie normaler Diesel. In dieser Sache traf er vor zwei Jahren auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die er schon 1998 kennen gelernt hat. Er sprach sich ihr gegenüber gegen die volle Besteuerung von Biodiesel aus. Die Mittelstandsvereinigung der CDU, die Heineking im Kreis Nienburg/Weser leitete, betitelte die Meldung zu diesem Treffen so: "Heineking und der Rapsbrummi auf dem Weg zu Angela Merkel MdB". Die hohe Kilometerleistung seiner Laster mit dem alternativen Treibstoff brachten ihm einen Eintrag in das Guinnessbuch der Rekorde ein.
Als die CDU Niedersachsen im Wahlkampf des vergangenen Jahres eine mehrwöchige Klimatour durch ihr Bundesland startete, sponserte die Spedition Heineking einen Biodiesel-Lkw. Mit dabei bei mehreren Terminen: Willi Heineking. Er saß auch 17 Jahre für die CDU im Landtag von Hannover. Im Dorf sagen sie, er sei ein Förderer des jungen Christian Wulff gewesen. In den Sportausschüssen des Landtags und des Kreistags engagierte er sich vor allem in den Siebziger- und Achtzigerjahren für den Bau diverser Sportstätten - in der Lokalpresse heißt es, sein Erfolg dabei gelte unter Sportfunktionären immer noch als "einmalig".
Diese Verbindungen halfen Heineking auch zu dem wohl größten Coup seiner letzten Tage: Mit seiner Hilfe konnte die kubanische Fußball-Nationalmannschaft der Männer überzeugt werden, Mitte Juli gegen den LSV zu spielen - zuvor radelte er mit der Elf noch ein wenig den Weserradweg entlang. Das Match, das 1.000 Zuschauer anzog, konnten die Kicker vom LSV bis zur Halbzeit noch ausgeglichen gestalten, sie lagen nur 0:1 zurück - am Ende aber siegten die Kubaner verdient mit acht Toren, den Landesbergenern gelang kein einziges Tor. Heineking schaute sich das Spiel aus seinem Auto aus an, so geschwächt war er schon. Auch das Fährfest, das Dorffest kurze Zeit später, konnte er nur noch in seinem Auto sitzend beobachten.
Seine dunkelste Stunde erlebte Heineking ebenfalls im Auto: Im Oktober 2002 wurde sein Wagen an einem Samstag von einem Güterzug erfasst. Heineking fuhr mit seinem Auto über einen unbeschrankten Bahnübergang in Estorf nahe Nienburg. Der Zug riss die Limousine fast einen halben Kilometer mit sich. Heineking erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Kopf und mehrere Knochenbrüche - aber er überlebte. Ein paar Wochen später lud er etwa 400 Menschen in den Landtag von Hannover an: als Dank für ihre Unterstützung in den Wochen seiner Genesung. Heineking, so erinnern sich viele, brauchte nie ein Mikrofon, so laut und prägnant war seine Stimme.
Eine unschöne Geschichte sei noch erwähnt: Mitte Juni dieses Jahres unterlag der Vorstand des Heimatvereins Landesbergen mit seinem Vorsitzenden Heineking in einem Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Das Gericht verdonnerte den Verein dazu, über 60.000 Euro zurückzuzahlen, die unrechtmäßigerweise an Subventionen zur Umgestaltung des Mühlenplatzes erschlichen worden seien. Der Vorstand des Heimatvereins, so befand das Gericht, habe "vorsätzlich falsche Angaben" gemacht. Wenige Wochen später war Heineking tot.
Anfang Juli wurde Heineking noch zum Ehrenbürger von Landesbergen erklärt - der erste in der 950-jährigen Geschichte der Gemeinde. Heineking war gerührt. Er berichtete, dass er kurz zuvor die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhalten habe, zeigte sich aber optimistisch: "Ich sehe der Sache gelassen entgegen. Da wird gekämpft." Er entschuldigte sich bei allen, die er in den vergangenen Jahrzehnten verletzt habe: "Es gehört zum politischen Leben dazu", so zitierte ihn später die Harke, "dass einige es einem schwermachen. Wenn ich mal einem auf den Fuß getreten habe, dann bitte ich um Entschuldigung."
Heineking mahnte, er sei erschrocken, wie es angesichts zerfallener Höfe im Dorf wieder aussehe: "Wir waren mal ein stolzes, schönes Bauerndorf. Nun sind wir an einem Punkt, wo wir aufmerksam sein müssen." Man müsse weiter am Plan einer Ortsumgehung festhalten: "Dies ist für Landesbergen lebensnotwendig." Dennoch! Mit Rückblick auf sein Lebenswerk sagte er: "Es war eine schöne Zeit, es hat Spaß gemacht. Ich freue mich, dass ich so verabschiedet werde." Dann bat er um Verständnis, dass er nicht lange bei seinem eigenen Fest dabei sein könne. Denn am nächsten Tag habe er eine Chemotherapie. Er verabschiedete sich mit dem Ruf: "Alles Gute für Landesbergen!" Willi Heineking erhielt stehenden Applaus.
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