Wikileaks-Alternative Openleaks: Zweites Leck im Januar
Während weltweit um Wikileaks gekämpft wird, wollen Aussteiger im Januar 2011 eine Alternative starten. Die Jagd auf Julian Assange verurteilen sie.
Während die Enthüllungsplattform Wikileaks weltweit unter Druck steht, wird gerade fieberhaft an einer Alternative gearbeitet. Am Montag sollten die ersten Informationen zu Openleaks online gehen. "Es kann aber sein, dass es bis in die Nacht dauert oder auch erst an einem anderen Tag in dieser Woche etwas wird", sagte Daniel Domscheit-Berg, einer der Köpfe hinter Openleaks und früher Wikileaks-Sprecher. "Wir haben sehr viel zu tun und lassen uns keinen Druck machen." Wann das eigentliche Openleaks online geht, steht ebenfalls noch nicht richtig fest, aber laut Domscheit-Berg könnte es in den ersten Januarwochen 2011 soweit sein.
Anders als bei Wikileaks wollen die Macher der neuen Plattform nicht mehr darüber entscheiden, wer welche Dokumente bekommt. Es soll also keine exklusiven Medienpartnerschaften wie beispielsweise die von Wikileaks mit Guardian und Spiegel geben. "An wen das zugespielte Dokument geht, entscheidet bei uns der Informant und nicht wir", sagt Domscheit-Berg. Openleaks sei mit einem System elektronischer Briefkästen vergleichbar, an das nicht nur klassische Medien, sondern auch Nichtregierungsorganisationen, Internetplattformen und Gewerkschaften angeschlossen sein könnten.
Der Isländer Herbert Snorasson, früher ebenfalls bei Wikileaks tätig, bestätigte dies in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung und sagte, dass sogar Regierungen Teil dieses Konzepts sein könnten. Nach bisherigem Stand könnten zwei deutsche, eine dänische Zeitung und eine für den besseren Verbraucherschutz kämpfende Nichtregierungorganisation in der Startphase des Projekts dabei sein. In dieser soll geprüft werden, ob und wie das neue System funktioniert.
Openleaks wäre dann die Annahmestelle, bei der Informanten ihre Dokumente loswerden könnten. Die Truppe um Domscheit-Berg und Snorasson würde dann vor allem zwei Dinge tun. Erstens: Das Dokument technisch überprüfen, ob es gefälscht oder bearbeitet ist. Zweitens: Die Daten derart bearbeiten, dass sie nicht mehr zur Quelle zurückzuverfolgen sind.
Wenn der Informant entscheidet, das Material habe zuerst an Zeitung X zu gehen, dann bekommt diese es auch. Sie hat einen gewissen Zeitrahmen, in der sie das Dokument veröffentlichen kann. Passiert das nicht, bekommt ein anderer Openleaks-Partner die Daten. Macht niemand im Leaksystem etwas mit den Informationen, werden sie so online gestellt, dass alle sie sehen können - nicht nur die Mitglieder des Briefkastennetzwerks. Derzeit diskutieren die Openleaker auch, ob Dokumente, mit denen die Partner schon gearbeitet haben, später noch einmal vollständig veröffentlicht werden.
Domscheit-Berg und nun auch Snorrason sagen, sie rechnen mit Gebühren von 200 bis 500 Euro monatlich für die Netzwerkpartner, je nach Finanzkraft. Auf Openleaks kämen ihrer Meinung nach Kosten in Höhe von etwa 100.000 Euro jährlich hinzu.
Im Gegensatz zu Wikileaks soll beim neuen Projekt transparenter sein, wer dahinter steht. Es könnte nach Aussage Domscheit-Bergs eine Stiftung geben, welche für die Arbeit von Openleaks verantwortlich zeichnet und auch Spenden sammelt, denn die sollen weiterhin die Haupteinnahmequelle sein. Die Mitglieder der Stiftung wären namentlich bekannt. Das muss allerdings nicht für die Leute gelten, welche die Dokumente technisch prüfen, "dafür brauchen wir wohl noch die Obskurität, aber auch das ist in der Diskussion", sagt Domscheit-Berg.
Hinter Openleaks stehen vor allem Leute, die früher bei Wikileaks gearbeitet haben. Neben Domscheit-Berg ist das vor allem der 25jährige Isländer Herbert Snorasson, der bei Wikileaks einen internen Chat verwaltete. Beide verließen die Plattform, weil Mitbegründer Julian Assange eine Strategie verfolgte, die sie nicht mittragen mochten: Assange setzte beim Veröffentlichen von Dokumenten zunehmend auf das Spektakuläre und veröffentlichte vor allem contra USA. Außerdem spielte er eine immer größere Rolle in der Organisation, so dass kaum noch auszumachen gewesen sei, "was nun wichtiger ist, Julian oder Wikileaks", sagt Daniel Domscheit-Berg.
Zudem habe Assange mehr und mehr intransparente Entscheidungen getroffen, die selbst für den engsten Kreis seiner Mitarbeiter kaum noch nachvollziehbar gewesen seien. Diese Kritik bekräftigte auch Snorasson im Interview mit der Süddeutschen noch einmal, er habe "Julian Assange unter anderem vorgeworfen, dass er zu viel allein entscheidet."
Trotz der Entfremdung von Assange, verurteilt Domscheit-Berg die derzeitigen Versuche der USA eine rechtliche Grundlage für eine Auslieferung des in Großbritannien inhaftierten Wikileaks-Mitgründers zu finden: "Das ist absurd, denn es gibt diese Grundlage nicht." Außerdem habe "Julian niemals einen Fuß auf US-amerikanischen Boden gesetzt, wie kann man ihn dann dort eines Verbrechens anklagen?"
Domscheit-Berg stößt auch auf, "dass Julian Assange von einigen Medien schon jetzt wegen der Vergewaltigungsvorwürfe in Schweden vorverurteilt wird." Und weiter: "Nicht dass man mich falsch versteht, ich war von Anfang an dafür, dass Julian sich diesen Vorwürfen stellt und das gegebenenfalls auch in einem rechtstaatlichen Prozess klären lässt." Aber das berechtigte Interesse der Aufklärung dürfe nicht mit anderen Interessen vermischt werden.
BERICHTIGUNG
In der taz vom 14.12.2010 berichteten wir auf der Medienseite, Openleaks verlange für seinen Service "Gebühren von 200 bis 500 Euro monatlich."Die Openleaks-Initiative sagt jedoch, ihre Dienstleitung werde kostenfrei angeboten. Kooperationspartner könnten das Projekt aber freiwillig beim Ausbau der Infrastruktur unterstützen. Der Gegenwert für diese Hilfe liege bei etwa 200 bis 500 Euro. Wir hatten eigene Informationen fehlinterpretiert und dies in einem Interview der Süddeutschen Zeitung bestätigt gefunden. Wir bitten um Entschuldigung.
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