■ Stadtmitte: Wieviel Theater will dieses Land?
Angesichts der Misere, die die öffentlichen Haushalte befallen hat, die auch vor Kürzungen im sozialen Bereich, beim Gesundheitswesen und vor allem auch bei Wissenschaft und Bildung nicht haltmacht, ist die Frage nach der finanziellen Ausstattung der Theater ein Thema, das zu Achselzucken oder gar zu Verbitterung Anlaß gibt.
Ich halte die Fragestellung deshalb auch für eine Ablenkung vom wirklich entscheidenden Problem, nämlich: wieviel Kunst, wieviel Theater will sich die Hauptstadt Deutschlands leisten? Man hat den Eindruck, als würden die politisch Verantwortlichen alles tun, damit Berlin ja nicht über die Anziehungskraft einer anderen deutschen Stadt hinauskommt. Statt die großen Schätze, die wie eine Morgengabe bereitlagen, zu heben und zum Glänzen zu bringen, werden sie (ein-)geschlossen, geschmälert oder verhökert. Berlin als künstlerisch-kultureller Mittelpunkt, in dem Wissenschaft und Fortschritt blühen, dadurch die Welt anlockt, um sich in der Begegnung mit ihr zu erneuern, das wird wohl ein schöner Traum bleiben müssen, wenn man die jetzt so kurzsichtig wie leichtfertig gefaßten Entscheidungen betrachtet. Dies sind Entscheidungen, die weder Verantwortung für die Zukunft noch Respekt vor der Tradition erkennen lassen.
Das Deutsche Theater mit seinen Kammerspielen – versteckt in der Schumannstraße und dennoch mitten im Herzen der Stadt gelegen – gehört nicht nur zu den schönsten Schauspieltheatern Europas, sondern auch zu den traditionsreichsten. Es lebt und erfreut sein Publikum seit 112 Jahren. Es hat nicht nur zwei Weltkriege und den Faschismus überlebt, sondern es hat immer wieder die besten Schauspieler und Regisseure hervorgebracht, die der Kunst und besonders dem Theater Impulse gaben.
Das Land Berlin hat uns als Theaterleitung dieses Kleinod anvertraut, uns einen Auftrag erteilt: in diesen Häusern die Tradition von Max Reinhardt und Otto Brahm weiterzuführen und ein Repertoire-Theater von hoher Qualität anzubieten. Das tun wir. Und wir arbeiten fleißig. Wir haben allein in der letzten Spielzeit 749 Vorstellungen gespielt. Daran sind Menschen beteiligt, vor und hinter den Kulissen.
Das kostet alles Geld, wir haben das uns zur Verfügung gestellte gut verwaltet und für den Zweck eingesetzt, dem es dienen soll, nämlich Theater zu spielen für die Menschen aus dieser Stadt und für ihre Gäste, und wir haben eben durch diese fleißige Arbeit aller Mitarbeiter die geplanten Einnahmen erbracht. Wir denken schon, daß wir mit mehr Freiheit bei der Gestaltung unserer Wirtschaftspläne noch besser arbeiten können, aber wir wissen auch, daß dadurch das Theater nicht billiger wird, denn nicht nur die Mittel für Tarifanhebungen müssen erbracht werden, sondern auch die steigenden Kosten, die alle privaten Haushalte spüren, müssen von den Theatern aufgefangen werden, wie zum Beispiel Kosten für Strom, Wasser, Müllabfuhr oder Reinigung. Auch mit allergrößter Phantasie können wir an diesen Posten nicht vorbei.
Also: Theater kostet Geld und bringt dafür Lebensqualität, oder es kostet nichts, dann gibt's auch keins. Vielleicht wird man später einmal erklären müssen, warum es keines mehr gibt. Rosemarie Schauer
Stellvertretende Intendantin Deutsches Theater/Kammerspiele
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