Wiederwahl von Lukaschenko in Belarus: Wahlsieg in Absurdistan
Lukaschenko hat die Wahl in Belarus „gewonnen“ – vorerst. Die dreisten Fälschungen könnten für den Autokraten aber der Anfang vom Ende sein.
D reistigkeit siegt! Doch diese alte Weisheit könnte sich für den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko als Anfang vom Ende seiner 26-jährigen Herrschaft erweisen. Angeblich soll er mit 80 Prozent der Stimmen die Wahl am Sonntag „gewonnen“ haben. Das ist gelinde gesagt absurd und hat mit der Realität nicht das Geringste zu tun.
Die Bilder vom Wahltag sprechen eine ganz andere Sprache: Eine Frau, die über eine Leiter Stimmzettel aus einem Wahllokal entgegennimmt und sich rasch entfernt. Wahlbeobachter*innen, die von Sicherheitskräften tätlich angegriffen werden. Menschen, die wahllos aus der Menge herausgegriffen, von Sicherheitskräften zusammengeschlagen werden und mit blutenden Gesichtern auf der Straße liegen bleiben. Und zehntausende Belaruss*innen mit weißen Bändern an den Handgelenken, die aller Brutalität des Regimes zum Trotz ihre Angst überwunden haben und entschlossen sind, dem Autokraten Lukaschenko die Stirn zu bieten – und das nicht nur in der Hauptstadt Minsk.
Dass Lukaschenko vor dem Einsatz von Gewalt nicht zurückschrecken würde und dafür auch Tote in Kauf nimmt, ist nicht überraschend, zumal entsprechende Drohungen vorher unüberhörbar waren. Es sagt eine Menge darüber aus, wie es um eine Staatsführung bestellt sein muss, die sich verzweifelt an die Macht klammert. Und die beharrlich ignoriert, dass in der belarussischen Gesellschaft einiges in Bewegung geraten ist.
Deshalb dürften diejenigen, die der Oppositionskandidatin Swetlana Tichanwoskaja ihre Stimme gegeben haben, auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Schon sind weitere Proteste angekündigt, und es gibt genügend Gründe zu der Annahme, dass viele diesem Aufruf folgen werden. Die Frage ist jetzt, ob sich Lukaschenko auch weiterhin auf die bedingungslose Loyalität seiner Handlanger stützen kann, um den Widerstand derer zu unterdrücken, die sich nicht länger mit einem „weiter so“ abfinden wollen.
Doch wie auch immer das Kräftemessen ausgehen mag, Lukaschenko sollte gewarnt sein: Business as usual wird es in Belarus nicht mehr geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr