piwik no script img

Wiederholte Ratswahl in DortmundKeine Strafe für die SPD

Wegen der „Haushaltslüge“ des SPD-Bürgermeisters musste in Dortmund neu gewählt werden. Einsprüche der SPD verzögerten die Wahl. Nun profitierte die SPD von ihr.

Dazugewonnen! SPD in Dortmund. Bild: dpa

BOCHUM taz | Die Dreistigkeit, mit der Dortmunds scheidender SPD-Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer seine Wählerinnen und Wähler 2009 täuschte, war einzigartig: Bis zum Abend der Kommunalwahl hatte das nicht mehr antretende Stadtoberhaupt versichert, die „Westfalenmetropole“ habe keine gravierenden Finanzprobleme. Nur einen Tag nach der Wahl verkündete Langemeyer plötzlich eine Haushaltssperre. Denn die drittgrößte Stadt Nordrhein-Westfalens steht vor der Pleite: Der Schuldenstand liegt aktuell bei rund 2,2 Milliarden Euro. Allein an kurzfristigen Kassenkrediten sind 1,3 Milliarden Euro fällig.

Seit drei Jahren zetert die Opposition: „Haushaltslüge!“. Doch in wirkliche Schwierigkeiten gebracht hat Langemeyer seine seit Kriegsende regierenden Genossen in der „Herzkammer der Sozialdemokratie“ (Herbert Wehner) trotzdem nicht. Schon 2010 wurde sein SPD-Nachfolger Ullrich Sierau im Amt bestätigt. Und auch die nach einem Prozessmarathon erzwungene Neuwahl des Stadtrats vom Sonntag kennt, zumindest auf dem Papier, nur einen Sieger: die SPD.

Auf formal 43,7 Prozent kamen die Sozialdemokraten in Dortmund wieder, sie konnten sich damit sogar um fast 6 Prozentpunkte verbessern. Auch die Grünen legten noch einmal 1,8 Punkte zu und erreichten mit 17,2 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Dortmunder Ratswahl – und das, obwohl die Partei es im vom Fluglärm geplagten Osten der Stadt versäumt hatte, einen wählbaren Kandidaten aufzustellen. Die Piraten standen nicht zur Wahl, weil sie schon 2009 nicht angetreten waren.

Verlierer sind dagegen die CDU mit 27,2 Prozent und die FDP mit 2,6 Prozent. Auch die Linkspartei konnte nur 3,5 Prozent der WählerInnen überzeugen. Zwar hatten die Linken im Wahlkampf Parteigrößen wie Oskar Lafontaine aufgeboten – trotzdem landeten sie nur noch auf PDS-Niveau.

Doch von einem Triumph der Sozialdemokraten ist trotzdem keine Rede. Denn der Erfolg der Genossen wurde mit einer erschreckend niedrigen Wahlbeteiligung erkauft: Die lag nur noch bei 32,7 Prozent. Niemals haben weniger DortmunderInnen über die Zusammensetzung des Rates abgestimmt – faktisch haben nur 14 Prozent aller Wahlberechtigten SPD gewählt. Allerdings wissen die Genossen noch immer ihre Mitglieder hinter sich. Allein in Dortmund besitzen 25.000 Menschen ein SPD-Parteibuch – fast zehnmal so viel wie in ganz Mecklenburg-Vorpommern.

Doch die sozialdemokratische Dominanz neigt sich auch im Ruhrgebiet zu Ende zu. „Die SPD ist die Partei der geborenen Dortmunderinnen und Dortmunder, die Grünen und in der Tendenz auch die CDU eher die Partei der woanders geborenen“, schreiben selbst die Statistiker der SPD-beherrschten Stadtverwaltung in einer Wahlanalyse – und machen klar, dass die Genossen vor allem wegen der Landespolitik ihrer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gewählt worden sind. „Das ist der Kraft-Effekt“, sagt auch die grüne Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger aus Dortmund. „An den Kommunalpolitikern kann es nicht liegen.“

Eine rot-grüne Koalition wie unter Kraft ist in Dortmund aber nicht in Sicht. Die Sozialdemokraten werden ihre Mehrheiten wohl weiter in einer informellen Koalition mit der CDU suchen. Auf Offerten des Dortmunder SPD-Chefs Franz-Josef Drabig, doch zumindest nach der nächsten regulären Wahl 2014 wieder ein Bündnis anzustreben, reagieren führende Grüne mehr als zurückhaltend. „Bis heute“, sagt der bisherige grüne Ratsfraktionsvorsitzende und frisch gewählte Landtagsabgeordnete Mario Krüger, „hat die SPD kein Interesse an unseren Themen wie Fluglärmbekämpfung, Naturschutz oder präventiver Sozialarbeit gezeigt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • HR
    HP Remmler

    Sorry: "nur" 90, nicht 900.

     

    Mit mathematikschwachen Grüßen...

  • HR
    HP Remmler

    Sapperlott! Über zwei Drittel Nichtwähler! Und auf einen FDP-Wähler kommen fast 900 Wahlverweigerer. Vielleicht sind die Wähler, pardon: die Wahlberechtigten ja doch nicht ganz so blöd.

  • W
    willibald

    @von Hollande: Stimmt leider ...

  • D
    D.J.

    Naja, in NRW wählt man ja auch eine Frau zur Ministerpräsidentin, die in einer Quizshow meinte, Spermien bewegen sich mit Überschallgeschwindigkeit, und eine andere zur stellvertretenden Minnisterpräsidentin (Grüne!), die in ihrem ganzen Leben noch nie was von Kernfusion gehört hat. Und nebenbei: In diesem Bildungsverliererland echauffiert man sich gern über die Blödheit der Bayern.

  • T
    taz

    Vielleicht sollte man auch mal erwähnen, dass die SPD erneut Stimmen verloren hat (14.000 Stimmen seit 2009, 36.000 seit 1999) und wohl nur wegen der geringen Wahlbeteiligung gewonnen hat.

     

    Dann würde Hollande vielleicht auch auf seinen Kommentar verzichten.

  • H
    Hollande

    Mein Gott sind Wähler dumm.

  • MS
    Michael Schütte

    Man kann in Dortmund auch auf einer Milchkuh SPD malen. Auch sie hätte in Dortmund gute Chancen auf Wiederwahl.