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Wiedereinführung der WehrpflichtKlingbeil gegen und für die Wehrpflicht

Der SPD-Chef spricht sich vehement gegen eine Wehrpflicht aus. Er will aber alle Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie doch kommen kann.

Einerseits rauf, andererseits runter: Klingbeil hält's mit der Wehrpflicht wie ein Riesenrad Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin afp/dpa/taz | Der SPD-Chef und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat Unions-Forderungen nach Wiedereinsetzung der Wehrpflicht erneut eine klare Absage erteilt. „Es wird keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben, bei der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden“, sagte Klingbeil den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Stattdessen müsse die Bundeswehr „deutlich attraktiver für junge Menschen werden“. Der SPD-Chef sprach sich im Zuge dessen erneut dafür aus, den kostenlosen Führerschein beim Bund zu integrieren.

Deutschland benötigt nach den neuen Nato-Vorgaben 50.000 bis 60.000 aktive Soldaten mehr. Trotz diverser Anstrengungen sank die Zahl zuletzt aber auf rund 181.000 Soldaten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will daher rasch seinen Vorschlag für einen neuen Wehrdienst vorlegen, um mehr junge Menschen zu erreichen.

Klingbeil zeigte sich einverstanden damit, dabei „jetzt schon die Voraussetzungen dafür“ zu schaffen, „dass auch verpflichtend eingezogen werden könnte“. Das soll für den Fall gelten, dass sich nicht genügend Freiwillige melden.

Mit Blick auf den Nato-Gipfel in der kommenden Woche in den Haag warnte Klingbeil davor, die Debatte auf Verteidigungsquoten zu verengen. „Prozente zu zählen, ist unproduktiv“, sagte der SPD-Chef. „Wir dürfen uns nicht allein auf Zahlen fixieren, sondern müssen klären, was die Nato und die Bundeswehr brauchen, damit wir auch in Zukunft sicher leben“, sagte Klingbeil.

Zugleich bekräftigte er: „Wir müssen das Land vor den heutigen Bedrohungen wie Cyberangriffen, Angriffen auf die Infrastruktur und Drohnen schützen. Schnell und effektiv.“

Mitte kommender Woche ist der Nato-Gipfel in Den Haag geplant. Unter dem Druck von US-Präsident Donald Trump soll bei dem Gipfeltreffen vereinbart werden, künftig mindestens einen Betrag in Höhe von 3,5 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung zu investieren.

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8 Kommentare

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  • Gleichzeitig für und gegen etwas zu sein, das nennt man Dialektik. Gute Schulung. Aber, Klingbeil hat wohl keine Einsicht in militärische Dinge, Wenn man die russische Bedrohung ernst nimmt, und den UA-Krieg objektiv analysiert, dann brauchen wir eine Armee mit vielen Soldaten und einer grpßen Reserve. Hauptsächlich Infenterie und Artillerie plus FPV Drohnen und Luftabwehr und E-Kampfführung und weniger teure Flugzeuge und Kampfpanzer, auch weniger Offiziere und Bürokraten.

    Also emntweder die Russen stellen eine gro0e Gefahr da, dann müssen wir die UA unterstützen und eine eigene möglichst große Armee aufbauen und das geht nur mit der Wehrpflicht oder die Russen sind keine Gefahr und wir können uns beides sparen. Klingbeil wählt den Mittelweg der Illusion.

  • Eine jüngere Bekannte von mir brennt darauf, nach dem Abitur zum Bund zu gehen. Bei einem Vorgespräch bei der Einheit, für die sie sich am meisten interessiert hat, hat sie dermaßen unverhohlenen Sexismus erlebt, dass sie sich entschieden hat, sich für eine andere Einheit zu bewerben. Andere hätten nach dem Erlebnis gar nicht mehr zum Bund gewollt.

    Immer schreien, dass es mehr Freiwillige braucht, sich aber ihnen gegenüber nicht mal ans Grundgesetz halten.

    Könnte es sein, dass erst der Bund reformiert werden muss, BEVOR Gelder fließen?

    Damit die Gelder nicht in "wir finden keine Freiwilligen, aber Frauen und Schwule wollen wir nicht" Projekten oder in verschwundener Munition landen?

  • Ich weiß noch, dass die Aussicht, beim Bund den Führerschein finanziert zu bekommen, bei mehreren Bekannten den Ausschlag zur Entscheidung für den Wehrdienst bedeutet hat.



    Wenn man Freiwilligkeit nach vorne stellen will, ist es zwar nicht übermäßig kreativ, aber sehr hilfreich, solche konkreten Vorteile anzubieten.

    • @nihilist:

      ...geht's nicht noch billiger, seine Grundwerte - so denn man denn welche hat - zu verkaufen ? Bei unserem Schlachter bekommen die Azubis auch einen Führerschein bezahlt.

  • Mal wieder(leider) typisch für die SPD der letzten Jahre - keine klare Position. Niemand weiss, was genau was gemeint ist. Man hält sich viele Optionen offen.



    Aufrüstung ja, aber nur ein bisschen und eigentlich ist es auch nicht so gedacht, aber trotzdem. Und vielleicht dann doch Wehrpflicht.

  • Keine Wehrpflicht ist doch mal eine klare Ansage ! Eine Berufsarmee zur Verteidigung selbstredend notwendig.



    Aber dann wird's wieder so typisch SPD " Klingbeilisch " dieses drumrum lavieren bei politischen Entscheidungen-/ Aufgaben, was die SPD ja so unwiderstehlich macht für die Wähler. 😎

  • Schon lustig: Sonst wird überall der Heilige Markt beschworen, und wenn er mal nicht so spurt wie er soll, wird nicht etwa mehr gezahlt... nein, es wird ganz locker zum Zwang gegriffen.

  • Es ist jammerschade, dass die alte Tante SPD derart heruntergekommen ist. Schon vor der Ampelkoalition war zu merken, dass von Kampfgeist für "den kleinen Mann/Frau" immer weniger zu merken war. Jetzt wird es noch deutlicher. dass völlige Leere die wohl treffendste Beschreibung ihres Zustandes ist. Dafür wurde sie nicht gegründet.