Wieder im Kino: Das Anderssein inszenieren
Mal spektakulär realistisch, mal betont künstlich: die Animationsfilme „Tim und Struppi“ im Moviemento und „Der fantastische Mr. Fox“ im Odeon.
S eit seiner Erfindung ist das Kino bestrebt, stets so „realistisch“ wie möglich zu wirken. Statt Stummfilm wollte man den Ton, statt Schwarzweiß die Farbe, und auch 3D wurde uns immer gepriesen als ein Replikat unserer natürlichen Seherfahrung. Zwischenzeitlich hatte der Realitätswahn dann auch die dafür eigentlich unwahrscheinlichste Gattung des Kinos erfasst: den Animationsfilm.
Die Hintergründe wirkten fotorealistisch, und menschliche Figuren sollten aussehen und sich bewegen wie reale Menschen. Dazu verwendet man in der Regel das Motion-Capture- beziehungsweise das Performance-Capture-Verfahren, mit dem menschliche Gestik und Mimik auf Animationsfiguren im Computer übertragen werden kann.
In Steven Spielbergs „Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der ‚Einhorn‘“ nach den berühmten Hergé-Comics sind die einzigen Stilisierungen, die man sich leistet, gerade einmal Tims charakteristischer Haarschwups und ein paar Knollennasen.
Im Übrigen hat die Verfügbarkeit der „Anything goes“-Tricktechnik den alten Bonbonverkäufer Spielberg dazu verführt, in der Geschichte um den Journalisten Tim, seinen Hund Struppi und den versoffenen Kapitän Haddock, die auf der Suche nach einem Schatz und der Auflösung eines Familiengeheimnisses in wilden Abenteuern rund um die Welt jagen, eine spektakuläre und originelle Actionszene mit der nächsten zu toppen (4.5., 16 Uhr, Moviemento).
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Völlig anders sieht es in dem auf einem Buch von Roald Dahl beruhenden Animationsfilm „Der fantastische Mr. Fox“ (2009) von Wes Anderson aus, denn der Autor und Regisseur von Geschichten mit schwer egozentrischen Figuren zelebriert dieses Anderssein auf allen inszenatorischen Ebenen.
Die liebevollen Sets wirken wie größenwahnsinnige Laubsägearbeiten, die Dialoge sind betont künstlich, und die Stop-Motion-Puppenanimation sieht total sprunghaft aus. Und zwar nicht, weil man das nicht besser hinbekommen hätte, sondern weil der Regisseur es eben so haben wollte.
Wie fast alle Anderson-Filme handelt auch „Der fantastische Mr. Fox“ von einem schmerzhaften Prozess langsamer Annäherung: Selbst Mr. Fox, dessen Egoismus eine ganze Tiergemeinschaft in Gefahr gebracht hat, muss am Ende anerkennen, dass jede:r nach ihren/seinen Fähigkeiten etwas zur Lösung von Problemen beitragen kann. Zu sehen im Odeon-Kino in Schöneberg, wo dieser Tage eine Anderson-Retrospektive mit Filmen in der Originalfassung läuft (4.5., 17.15 Uhr, Odeon).
Die von 1920 bis 1933 währende Prohibitionszeit in den USA, in der Ausschank und Konsum von Alkohol staatlich verboten wurde, gehört zu den großen gescheiterten Gesellschaftsexperimenten: Während man also annahm, dass die Menschen ohne Alkohol nunmehr gesünder und verantwortungsbewusster leben würden, passierte genau das Gegenteil: Die Leute soffen, als gäbe es kein Morgen, allerorts schossen die Flüsterkneipen aus dem Boden und das organisierte Verbrechen erlebte mit Schmuggel und Vertrieb des verbotenen Stoffes eine Blütezeit.
Es dauerte dann auch gar nicht lange, bis das Kino den neuen „Helden“ Gangster für sich entdeckte. Einen der besten Filme des Genres drehte Howard Hawks mit „Scarface“ (1932), der nicht ohne Humor und mit inszenatorischer Brillanz die Geschichte von Aufstieg und Fall des Tony Camonte (Paul Muni) erzählt, der sich im mafiösen Milieu von Chicago an die Spitze einer kriminellen Organisation mordet. Angeblich fand auch Al Capone den Film gut, während die Zensur die durchaus nicht unsympathische Charakterisierung des Helden monierte – ein schlechtes Beispiel für die Jugend (4.5., 20.30 Uhr, Filmkunst 66).
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