Wieder im Kino: Schicksalhafte Konstruktionen
Diese Woche zu sehen: Der Architekturstreifen „The Fountainhead“, Klassiker mit dem eigenwilligen Willem Dafoe und Walter Salles' „Ainda estou aqui“.

A m Anfang von King Vidors Spielfilm „The Fountainhead“ (1949) scheint es lediglich um einen Kampf zwischen gutem und schlechten Geschmack zu gehen: Auf der einen Seite stehen die modernen – an Frank Lloyd Wright angelehnten – Entwürfe des Architekten Howard Roark (Gary Cooper), auf der anderen Seite gibt es die Zuckerbäckerbauten seiner Zeitgenossen, die dem Massengeschmack huldigen.
Als der radikale Individualist Roark jedoch Karriere macht und immer mehr Aufträge erhält, entwickelt sich der Film zusehends zu einer ziemlich absurden Abhandlung über Kapitalismus, Nonkonformismus und künstlerische Freiheit.
Das verdankt sich vor allem der Drehbuchautorin Ayn Rand, die sich nach ihrer Flucht vor der Russischen Revolution eine Pseudophilosophie zurechtgebastelt hatte, die radikale Individualität als Triebfeder des Fortschritts voraussetzt und den Turbokapitalismus entsprechend nicht nur als „gut“, sondern auch als tiefgreifend moralisch begreift.
In den USA sind ihre Ideen bis heute populär, und wohin sie führen, wenn die entsprechenden Leute tatsächlich exekutive Macht erlangen, kann man am Beispiel von Donald Trump und Elon Musk gerade ziemlich gut erkennen.
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„The Fountainhead“ läuft als Teil des Programms „Architektur und Film 1“ in der Akademie der Künste gemeinsam mit „Sullivans Banken“ von Regisseur Heinz Emigholz, einem knapp 40-minütigen Dokumentaressay, der sich im typischen Emigholz-Stil (eine Montage von starren Kameraeinstellungen und einem aus Originaltönen komponierten Soundtrack ohne Kommentar) jenen Bankgebäuden widmet, die der amerikanische Architekt Louis H. Sullivan (in seinem Büro arbeitete auch der junge Frank Lloyd Wright) in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts schuf.
Es waren moderne Kathedralen des Kapitalismus. Warum sie aber auch ein Ausdruck von Demokratie waren, wird Heinz Emigholz in seiner Einführung erläutern (12.4., 19 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, im Rahmen von Arsenal on Location).
Von Jesus bis Nosferatu: Seit mehr als vier Jahrzehnten ist Willem Dafoe ein Garant für intensive und eigenwillige Schauspielkunst, ein Mann, der vor keinem Experiment zurückschreckt, zugleich aber auch eine kommerzielle Zugkraft besitzt, die ihn bis heute erfolgreich sein lässt. Im Babylon Mitte sind viele von Dafoes wichtigsten Filmen jetzt bis zum 16. April in einer Retrospektive zu sehen.
Dass Dafoe stets auch als komödiantischer Teamplayer brilliert, zeigen die Werke, an denen er mit Regisseur Wes Anderson arbeitete: In „The Grand Budapest Hotel“ (2014) ist er inmitten eines umfangreichen Starensembles als Auftragskiller J. G. Jopling zu sehen, der in der verzwickten Handlung diverse Leute ins Jenseits befördert, während er in „The Life Aquatic with Steve Zissou“ (2004) ein Teil der Wahlfamilie ist, die der Tiefseeforscher Zissou (Bill Murray) auf der Suche nach dem Jaguarhai um sich versammelt hat.
Und wie es in Familien nun einmal zugeht, läuft nicht alles immer glatt ab: Klaus (Dafoe) wird ziemlich eifersüchtig, als ihm jemand die Rolle als Zissous wichtigstem Mitarbeiter streitig macht … (The Grand Budapest Hotel, 13.4., 18 Uhr, The Life Aquatic with Steve Zissou, 10.4., 17.15 Uhr, 14.4., 19.30 Uhr, Babylon Mitte).
„Sinelection“, so heißt eine Reihe mit aktuellen, aber selten gezeigten Filmen im Sinema Transtopia, in der auch der erst kürzlich mit einem Oscar als Bester Internationaler Film prämierte „Ainda estou aqui“ läuft, in dem Regisseur Walter Salles ein reales Schicksal aus der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur nachzeichnet (10.4., 20 Uhr, Sinema Transtopia).
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