Wieder geht es um den Mindestlohn: 6,34 oder 7,31 Euro
Die große Koalition aus Union und SPD hat ein neues, altes Thema: der Mindestlohn für Beschäftigte kehrt zurück. Diesmal fordern ihn zwei Verbände der Zeitarbeitsfirmen.
Die große Koalition aus Union und SPD hat ein neues Thema. Das zugleich aber auch ein altes ist. Der Mindestlohn für Beschäftigte solle auch in ihrer Branche eingeführt werden, forderten gestern zwei Verbände der Zeitarbeitsfirmen zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). So wird sich nun eine Debatte wiederholen, die Ende 2007 zur Einführung der Lohnuntergrenze bei der Post führte. "Ich wünsche uns viel Spaß dabei", sagte Bundesarbeitsminister Olaf Scholz am Montag.
Das Vergnügen ist auf der Seite des SPD-Politikers. Als Nachfolger Franz Münteferings benutzt er den Mindestlohn auch, um die Union im Wettbewerb "Wer ist der Sozialste im Land?" in die Defensive zu drängen. Dort lehnt man es aus grundsätzlichen Erwägungen ab, zu sehr in das freie Wirken des Marktes einzugreifen. Entsprechend zurückhaltend erklärte eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), man müsse das Ansinnen der Zeitarbeitsbranche zunächst sehr genau prüfen.
Damit hält Scholz sich nicht mehr auf. Er wolle den Antrag der Verbände und des DGB gerne unterstützen, sagte der Minister. Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA), der große Firmen wie Adecco, Randstad und Manpower vertritt, sowie der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) mit seinen mittelständischen Mitgliedern möchten ins Entsendegesetz aufgenommen werden. Auf dieser Basis kann die Politik in Kooperation mit den Tarifpartnern einen Mindestlohn festsetzen, um die Branche vor Dumpingkonkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Kein Unternehmen der Zeitarbeit in Deutschland dürfte seinen Beschäftigten dann weniger bezahlen als die festgelegte Untergrenze. Der Tarifvertrag zwischen den beiden Verbänden und dem DGB sieht zur Zeit mindestens 6,36 Euro für Ostdeutschland und 7,31 für den Westen vor.
Bis es dazu kommt, werden aber noch einige Monate vergehen. Zuerst muss der Bundestag das Entsendegesetz novellieren. Die SPD möchte das schnell erledigen, wie Scholz immer wieder erklärt. Bei der Union hingegen lässt man sich mehr Zeit. Gerade erst hat Wirtschaftsminister Glos die Beratung um einen Monat verlängert. Wenn das Gesetz fertig ist, muss ein Tarifausschuss beim Arbeitsminister entscheiden, ob der Tarifvertrag von BZA, IGZ und DGB mehr als die Hälfte der Beschäftigten der Branche erfasst. Nur dann könnte dieser Mindestlohn auch für alle anderen Firmen als "allgemeinverbindlich" festgesetzt werden. Das passiere frühestens im Herbst, sagte Ralf Brauksiepe, der sozialpolitische Sprecher der Union im Bundestag.
Bis dahin wird sich die Debatte unter anderem um ein Detail drehen: Arbeiten wirklich mehr als die Hälfte der Zeitarbeiter in Deutschland zu den Bedingungen des DGB-Tarifs? Die Konkurrenzorganisationen, der Christliche Gewerkschaftsbund und der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister, bestreiten das. Sie wollen, dass ihr eigener Mindestlohn gilt. Der ist niedriger als die DGB-Variante und beträgt in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsvertrages nur 6,34 Euro (West).
Viel Anlass für die Diskussionen zwischen Union und SPD also. Wobei die Spitzen beider Parteien immer wieder betonen, dass kein grundsätzlicher Dissens existiere. Theoretisch stimmt das: Im Koalitionsausschuss am 18. Juni 2007 haben sich beide Seite geeinigt, mit welchem Verfahren Mindestlöhne eingeführt werden können. Eine Differenz besteht aber zumindest: Union und SPD legen sehr unterschiedliche Tempi an den Tag.
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