■ Cash & Crash: Wie Seil und Schlinge
Welche Gründe sprachen bisher dafür, Aktien des Unternehmens MFS Communications zu kaufen? Die Firma mit Sitz in Omaha, Nebraska, schrieb eigentlich nur Verluste: 1995 satte 287,7 Millionen Dollar. Einen Grund gab es schon. Der Chef von MFS, James Q. Crowe, hat eine Nase für die Zukunft. Er bietet Internettechnik für Profis an, UUNet-Systeme zum Beispiel, mit denen andere Firmen andere Leute ans Netz der Netze anschließen können. Trotz stetig wachsender Betriebsverluste stieg der Kurs der MSF-Aktien deshalb schon in den vergangenen Monaten stetig an.
Steckte dahinter bisher reine Spekulation, seit Montag steht für die Aktieneigentümer von MFS auch ein realer Unternehmensgewinn in Aussicht. Dafür hat eines der bisher größten Geschäfte der Telekommunikationsbranche gesorgt. Für 14,4 Milliarden Dollar hat die Firma WorldCom die Internetprofis von MFS auf dem Wege des Aktientausches eingekauft.
Der Deal lohnt sich nicht nur für die MFS-Aktionäre. Er kann den ganzen Markt durcheinanderwirbeln. Zwar schreibt auch WorldCom Verluste, zuletzt 273,7 Millionen Dollar, doch die beiden Fusionäre passen zusammen wie das Seil und die Schlinge: WorldCom verkauft (auf Platz vier der US-Rangliste) Langstreckenverbindungen mit Glasfaserkabeln, MSF sorgt für den Anschluß am Anfang und am Ende, nicht nur von Telefonen, sondern ebenso von Computern und Fernsehern.
Die Börsianer jubelten. Wer am Freitag für 34,875 Dollar pro Aktie bei MFS einstieg, hat sein Kapital fast über Nacht um 30 Prozent erhöht. Der Kurs war bis Montag abend auf 44,75 Dollar gestiegen.
An Kapital und Hardware überholt das neue Paar MCI, den US-Marktführer für Datennetze. Aber WorldCom und MSF blicken über Amerika hinaus. Sie wollen auf dem europäischen Markt die Staatsmonopolisten das Fürchten lehren. Zum erstenmal wird den Telekoms, ob französisch, britisch oder deutsch, ein Konkurrent gegenübertreten, der alles besser hat, was bisher nur sie hatten, nämlich lange Leitungen und kurze Anschlüsse.
Vor allem die letzte Strecke zum Endkunden fehlt den europäischen Konkurrenten. Sie versuchen diesen Nachteil mit Auslandskooperationen für bessere Globalverbindungen auszugleichen. Im Gegenzug sind die deutsche und französische Telekom eine Partnerschaft mit der US- Firma Sprint eingegangen. Aber wer ist Sprint? Gut möglich, daß die Telekom-Aktie kein gutes Geschäft wird, nicht zu vergleichen jedenfalls mit der MSF-Aktie. Niklaus Hablützel
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