Wie Deutschland Piraten bekämpft: Das Bermuda-Dreieck vor Somalia
Drei Eingreifmissionen, aber kein einziges offiziell vorhandenes Schiff: Wie Deutschland vor Somalia Piraten bekämpft. Zwischen "Enduring Freedom", Nato und EU gerät so manches durcheinander.
BERLIN taz In Reaktion auf zunehmende Piratenüberfälle vor Somalia nehmen auch die Militärinterventionen zu. Nach der Antiterroroperation "Enduring Freedom" (OEF), die in Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 schon seit knapp sieben Jahren die Seewege um das Horn von Afrika aus Angst vor bislang imaginären Al-Qaida-Transporten überwacht, startete letzten Monat eine Nato-Operation, die nächsten Monat durch eine EU-Intervention ergänzt werden soll. Deutschland nimmt auf dem Papier an allen drei Missionen teil - aber nur ein deutsches Kriegsschiff ist tatsächlich vor Ort, und das nicht einmal offiziell.
Ursprünglich sollte das Bundeskabinett an diesem Mittwoch über die deutsche Beteiligung an der EU-Seemission "Eunavfor Atalanta" beraten, die von den Außen- und Verteidigungsministern der EU am 10. November beschlossen worden war. Mindestens sieben europäische Schiffe mit Luftunterstützung unter britischem Kommando sollen ab etwa Mitte Dezember vor Somalia Versorgungsschiffe des UN-Welternährungsprogramms WFP eskortieren, sowie "Geleitschutz und Eskorte von Handelsschiffen und Kontrolle der Zone" leisten, wie der französische Verteidigungsminister Hervé Morin es reichlich schwammig ausdrückte. "Eunavfor" löst eine im September beschlossene Vormission aus zwei französischen Fregatten und einem spanischen Aufklärungsflugzeug ab. An der neuen Mission sollen Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, die Niederlande und Spanien teilnehmen, eventuell auch Litauen, Norwegen und Portugal.
Deutschland sagte zu, sich mit einer Fregatte zu beteiligen. Aber noch vor dem offiziellen Beginn des EU-Einsatzes ist die dafür bestimmte "Karlsruhe" schon aktiv geworden. Denn sie ist längst im Krisengebiet unterwegs, allerdings nicht als EU-Schiff im Einsatz, sondern als eines der Nato auf der Durchreise. Seit Ende Oktober machen im Golf von Aden zwischen Somalia und Jemen drei Schiffe aus Italien, Griechenland und Großbritannien Jagd auf Piraten. Ursprünglich mit dabei war die deutsche "Karlsruhe", aber sie fuhr in den Persischen Golf weiter. Nun aber ist sie auf dem Rückweg durch den Golf von Aden nach Ägypten, und am Montag und Dienstag kam sie zufällig an Piraten vorbei und leistete nach Angaben der Bundesmarine Nothilfe für ein Handelsschiff aus Äthiopien und einen Öltanker aus Großbritannien. In beiden Fällen seien die Seeräuber durch das Aufsteigen der deutschen Hubschrauber in die Flucht geschlagen worden.
Diese Erfolge zeigen, dass in der Praxis viel einfacher ist, was in der Theorie für unendliches Kopfzerbrechen sorgt: Welche Mission darf was? Neben der Nato- beziehungsweise EU-Fregatte aus Deutschland wird nächstes Jahr eine weitere deutsche Fregatte im Rahmen von OEF vor dem Horn von Afrika unterwegs sein, wie schon mehrfach in der Vergangenheit - derzeit ist lediglich ein deutsches Aufklärungsflugzeug im Einsatz, dazu rund 90 Bundeswehrangehörige auf der OEF-Basis in Dschibuti. Die OEF-Fregatte soll Terroristen jagen, die EU-Fregatte Piraten.
Es könnte theoretisch aber passieren, dass die Piraten oder Terroristen zufällig vor der falschen Fregatte auftauchen und deren Besatzung dann überlegen muss, ob sie ihr Mandat überschreitet, ihre Flagge austauscht - oder einfach die Augen schließt. Deutsche Völkerrechtler lieben solche Fragen. Deswegen sind die Beratungen in Kabinett und Bundestag nun auf Dezember verschoben. Egal, was die "Karlsruhe" in der somalischen Wirklichkeit jetzt schon macht.
International ist das deutsche Dilemma längst geklärt. Frankreich und die USA haben mit OEF-Ressourcen mehrfach Piraterie bekämpft; französische Spezialkräfte haben sogar Piraten bis an Land verfolgt, verhaftet und in Frankreich vor Gericht gestellt. Ende August richteten die USA eine OEF-Sicherheitszone im Golf von Aden zwischen Somalia und Jemen ein, in der Kriegsschiffe unter kanadischem Kommando patrouillieren. Es war in Konkurrenz dazu, dass die EU im September eine eigene "Koordinierungszelle" einrichtete. Diese koordiniert den seit September laufenden französisch-spanischen Marineeinsatz, aus dem im Dezember der größere EU-Einsatz werden soll, für den die Nato schon Vorarbeit leistet.
Die völkerrechtliche Grundlage für weitere Einsätze steht. Die UN-Resolution 1838 vom 7. Oktober "ruft alle Staaten mit Interesse an der Sicherheit maritimer Aktivitäten dazu auf, sich aktiv am Kampf gegen Piraterie auf hoher See vor Somalia zu beteiligen, vor allem durch die Stationierung von Marineschiffen und Militärflugzeugen". Nun müssen nur noch die verschiedenen Einsätze miteinander abgestimmt werden - nicht nur auf dem Ozean, sondern auch auf dem Papier. DOMINIC JOHNSON
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