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Wie Currywurst im Wattenmeer

■ Werder Bremen kickt gegen Köln vier Tore ein und gewinnt 3 : 2/ Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz (CDU) war für die taz dabei hinterher „auch glücklich“

ür ein mittelmäßiges Fußballspiel war es ganz schön interessant. Und das kam so:

Am Anfang waren die Fragen. Würde man die Katastrophe vom letzten Sonntag gegen den HSV abschütteln? Wie sollte das ohne Herzog möglich sein? Geht es mehr um den Tabellenplatz oder um die Zukunft des Trainers? Dürfen sich die trotz allem 33.000 Fans auch heute abend wieder auf Bernd Hobsch freuen? Hat Sport-Bild recht mit seiner Behauptung, Dieter Eilts sei „ausgebrannt“? Bringt der von Freiburg gekaufte Frey – nicht heute, aber künftig – Schnelligkeit ins Spiel? Und überhaupt: Wird das Stadion immer schöner und Werder immer schlechter?

Dann begann das Spiel und mit ihm kamen (Teil-)Antworten. Zunächst ein bildschönes Eigentor. Arie van Lent traf so perfekt mit dem Kopf, daß man für einen Moment versucht war zu glauben, die Richtung habe nur deswegen nicht gestimmt, weil die Spieler neuerdings das Stadion von Osten betreten. Kopfballtor sozusagen spiegelverkehrt.

Die Rolle Herzogs übernimmt Eilts. Der tritt nicht nur die Freistöße, sondern auch Ecken. An diesem Abend hält er das Spiel halbwegs zusammen und wird später vor der Presse feststellen, daß die Moral stimmt, daß man in den zweiten 45 Minuten bei der Verwertung der Chancen nicht cool genug gewesen ist und daß ihn die Behauptung, er sei „ausgebrannt“, ungefähr so interessiere „wie eine geplatzte Currywurst im Wattenmeer“. Da kommt der von der Landschaft geprägte Ostfriese durch.

Aber Dieter Eilts war nicht der Mann des Tages. Auch nicht Bernd Hobsch, der uns natürlich dank Dörner nicht vorenthalten wurde. Der Mann des Tages hatte sich vielmehr bereits in der 9. Minute mit dem Kopf angekündigt. Und in der 30. Minute kam wohl die Schlüssel-Szene des Spiels: van Lent tritt einen fälligen Elfmeter selbst und trifft, obwohl Kölns Keeper in einer seiner besseren Szenen in der richtigen Ecke liegt. Mit diesem verwandelten Strafstoß hat der 26jährige sein Tore-Kontingent in der Bundesliga bereits verdoppelt.

Und nun, mit freiem Kopf, will es der Vertragsamateur wissen. Knapp fünf Minuten später löst er sich von zwei Gegenspielern und bringt seine Mannschaft in Führung. Da kurz vor der Halbzeit ein eigentlich unnötiger Elfer gegen Werder von Toni Polster sicher verwandelt wird, werden die Zuschauer mit vier Toren in die Pause entlassen.

Die zweite Halbzeit zeigte eine überlegene Werder-Mannschaft. Köln baute ab, was noch abzubauen war. Aber was nützt ein Eckenverhältnis von 10:1, wenn kein Tor dabei herausspringt? Was nützt es, wenn Dixie Dörner in einer Art Temperamentsausbruch gemessenen Schrittes an der Außenlinie auftaucht? Zwei Minuten vor Schluß notiert der Chronist: „Eines der wenigen Spiele, bei dem ein Werder-Sieg verdient gewesen wäre.“

Als hätte Arie van Lent das gelesen, donnert er, plötzlich halblinks frei vor dem richtigen Tor, den Ball in Richtung desselben. Nicht unhaltbar, aber etwas zu schnell für Michael Kraft im Kölner Tor.

Und so mündet ein mittelmäßiges Spiel in einen verdienten Sieg und einen glücklichen Fußballabend.

Die Katastrophe gegen Hamburg war vergessen; es ging auch ohne Herzog; der Tabellenplatz wird wieder interessant, und Dixie Dörner hat einmal mehr den Kopf aus einer Schlinge gezogen, die es angeblich gar nicht gibt.

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