Wie Bush den Humor veränderte: Den Hyperrealismus entdeckt
US-Präsident George W. Bush hat - neben Menschenleben - auch die Pointe auf dem Gewissen. Er hat unser Humorverständnis verändert. Die US-Komikerin Tina Fey geht dahin, wo es weh tut.
A Confession
Once in a while, I'm standing here, Doing something.
And I think, "What in the world Am I doing here?"
It's a big surprise.
(Donald Rumsfeld am 16 Mai 2001 in einem Interview mit der New York Times)
In runden 80 Tagen also wird George W. Bush nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten sein. Das ist zwar noch eine lange Weile hin. Aber der politische, ökonomische, ökologische, soziale oder auch kulturelle Nachlass seiner achtjährigen Amtszeit ist schon jetzt Gegenstand heftiger Kontroversen. Was das gesellschaftliche Erbe dieser Präsidentschaft angeht, so hat der britische Guardian kürzlich das ganz große Panorama aufgefächert und ernsthaft mit Kulturarbeitern gesprochen, vom Architekten Daniel Libeskind über den Schriftsteller Paul Auster bis zum Aktivisten Gore Vidal - und dabei leider ein wenig aus dem Blick verloren, was sich als Reaktion auf den realen Wahnsinn und faktischen Zynismus der vergangenen acht Jahre tatsächlich bis zur Unkenntlichkeit gewandelt hat: der Humor.
Hintergrund dieses Wandels ist eine Gesellschaft, in der beispielsweise die satirische Nachrichtensendung "Daily Show" von einem immer größeren Publikum als einzige seriöse Informationsquelle rezipiert wird. Es ist eine Gesellschaft, die sogar über die wirren Statements ihres Verteidigungsministers lachen kann, wenn sie in Gedichtform gesetzt sind und so ihr absurd-poetisches Potenzial entfalten. Eine Gesellschaft, in der die "Saturday Night Live"-Autorin und Schauspielerin Tina Fey die Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin dadurch zum Gespött machen kann, indem sie die Politikerin einfach wörtlich zitiert.
Jon Stewart, Moderator der "Daily Show", meint dazu: "Bushs Administration hat die Ironie wiederbelebt", aber das geht am Kern des epochalen Lachwandels vorbei. Tatsächlich ist die angelsächsische Avantgarde der Humorproduktion schon viel weiter, hat Ironie, Zynismus, Sarkasmus, Satire oder Persiflage längst hinter sich gelassen - und den Hyperrealismus für sich entdeckt. Die Welt ist so absurd und lächerlich, dass ihre Absurdität und Lächerlichkeit nicht mehr Gegenstand entlarvender Pointen sein kann - sondern nur noch im Maßstab 1:1 abgebildet werden muss, um einen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Das ist neu, sehr neu. Nur selten in der Geschichte unserer Spezies dürfte der Humor - verstanden als Kulturtechnik im Umgang mit der Wirklichkeit - so bösartig, so bis unter die Zähne bewaffnet und so desinteressiert daran gewesen sein, den Menschen durch die lindernde Auflösung einer Spannung zum Lachen zu bringen.
Die Quintessenz dieser neuen Haltung hat der US-Rolling Stone in der Website garfieldminusgarfield.net entdeckt: Es sind die altmodischen Cartoons, nur ohne den fetten Kater, der sonst stets für die Punchlines zuständig war und dessen Abwesenheit erst die "existentielle Angst eines gewissen Jon Arbuckle" erkennbar macht: "Es ist eine Reise tief in die Seele eines isolierten jungen Jedermanns, der einen aussichtslosen Kampf gegen Einsamkeit und Depression kämpft".
Nicht mehr die dümmliche oder feinsinnige Pointe ist das Ziel, sondern die Phase peinlicher Qual, die der Pointe sonst immer vorausging. Eine Erlösung erfolgt nicht. Wo alles zur Disposition steht, von der Genfer Konvention über die Menschenrechte bis zu nahöstlichen Ölfeldern, wäre eine Pointe pure Affirmation. An ihre Stelle muss, wie es Ricky Gervais in der legendären Produktion "The Office" exerzierte, der lustvolle Schmerz der Erkenntnis treten.
Wie bei der jüdischen US-Komikerin Sarah Silverman, die Humor für eine "Überlebensstrategie" hält und selbst heikelste Themen panzergleich plattwalzt: "Alle beschuldigen die Juden, Jesus getötet zu haben, und die Juden wollten das auf die Römer abwälzen - ich gehöre zu den wenigen Leuten, die glauben, dass es die Schwarzen waren".
Nie zuvor ging Humor so zielstrebig da hin, wo es wirklich weh tut. Nie war der Weg dorthin so schmerzhaft wie heute.
Leser*innenkommentare
Stephan Reber
Gast
Neutraler, unvoreingenommener und gründlich analysierender nich antiamerikanischer Journalismus sieht anders aus.
Schön wird das neue Zeitalter mit President Obama für deutsche Leitmedien nicht. Schnell noch, bevor es zu spät ist, zünden sie daher zur Zeit ein Feuerwerk des Bush-Bashings: Bush hat uns den Humor ausgetrieben, die Wirtschaftskrise allein verschuldet, die Welt in Krieg und Elend gestürzt und bestimmt isst er auch kleine Kinder. Der Stern wird das demnächst enthüllen. Denn eins war noch nie Grundlage der Kritik am aktuellen US-Präsidenten: Ein Bezug zur Realität und die Wahrung von Umgangsformen. Die Behauptung, Bush habe die Intelligenz einer Amöbe wurde gern zunächst mit einem unvorteilhaften Bild untermauert, am liebsten im direkten Vergleich mit einem Schimpansen. Auch hier dürfte der Spaß mit Obama leider vorbei sein: Das Vergleichsfoto Affe - Obama wird es kaum in den Stern, schnell aber zum Verfassungsschutz schaffen.
Klaus Paulus
Gast
Leider haben Wissenschaftler recht, wenn sie das mangelnde Geschichtsbewusstsein beklagen. Auch in Deutschland gab es eine Zeit, in der Humor nicht mehr weiterhalf. Allerdings haben sich zwischenzeitlich die Methoden der Machthaber, unliebsame Humoristen mundtot zu machen, verändert.Sperrte man sie früher ein, werden sie heute als Anti-Patrioten geoutet.
Auf den Punkt brachte es Martin Mundo mit dem Satz:"Wer`s Leben für `ne Narrheit hält, hat manche schöne Stunde. Doch wer sie ernst nimmt, diese Welt, der geht daran zugrunde."